Tiecks Bericht über die Fortsetzung
[230. Absatz]
Weiter ist der Verfasser nicht in Ausarbeitung
dieses zweiten Teils gekommen. Diesen nannte er
»die Erfüllung«, so wie den ersten »Erwartung«,
weil hier alles aufgelöst, und erfüllt werden
sollte, was jener hatte ahnden lassen. Es war die
Absicht des Dichters, nach Vollendung des
»Ofterdingen« noch sechs Romane zu schreiben, in
denen er seine Ansichten der Physik, des
bürgerlichen Lebens, der Handlung, der Geschichte,
der Politik und der Liebe, so wie im »Ofterdingen«
der Poesie niederlegen wollte. Ohne mein Erinnern
wird der unterrichtete Leser sehn, daß der
Verfasser sich in diesem Gedichte nicht genau an
die Zeit, oder an die Person jenes bekannten
Minnesängers gebunden hat, obgleich alles an ihn
und sein Zeitalter erinnern soll. Nicht nur für
die Freunde des Verfassers, sondern für die Kunst
selbst, ist es ein unersetzlicher Verlust, daß er
diesen Roman nicht hat beendigen können, dessen
Originalität und große Absicht sich im zweiten
Teile noch mehr als im ersten würde gezeigt haben.
Denn es war ihm nicht darum zu tun, diese oder
jene Begebenheit darzustellen, eine Seite der
Poesie aufzufassen, und sie durch Figuren und
Geschichten zu erklären, sondern er wollte, wie
auch schon im letzten Kapitel des ersten Teils
bestimmt angedeutet ist, das eigentliche Wesen der
Poesie aussprechen und ihre innerste Absicht
erklären. Darum verwandelt sich Natur, Historie,
der Krieg und das bürgerliche Leben mit seinen
gewöhnlichsten Vorfällen in Poesie, weil diese der
Geist ist, der alle Dinge belebt. Ich will
den Versuch machen, so viel es mir aus Gesprächen
mit meinem Freunde erinnerlich ist, und so
viel ich aus seinen hinterlassenen Papieren
ersehen kann, dem Leser einen Begriff von dem Plan
und dem Inhalte des zweiten Teiles dieses Werkes
zu verschaffen.
(RUB 8939, S. 177)
[229. Absatz]
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[231. Absatz]
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