[229. Absatz]
»Die Unschuld Eures Herzens macht Euch zum
Propheten«, erwiderte Sylvester: »Euch wird alles
verständlich werden, und die Welt und ihre
Geschichte verwandelt sich Euch in die Heilige
Schrift, so wie Ihr an der Heiligen Schrift das
große Beispiel habt, wie in einfachen Worten und
Geschichten das Weltall offenbart werden kann;
wenn auch nicht gerade zu, doch mittelbar durch
Anregung und Erweckung höherer Sinne. –
Mich hat die Beschäftigung mit der Natur dahin
geführt, wohin Euch die Lust und Begeisterung der
Sprache gebracht haben. Kunst und Geschichte hat
mich die Natur kennen gelehrt. Meine Eltern
wohnten in Sizilien, unweit dem weltberühmten Berge
Aetna. Ein bequemes Haus von vormaliger Bauart,
welches verdeckt von uralten Kastanienbäumen dicht
an den felsigen Ufern des Meeres, die Zierde eines
mit mannigfaltigen Gewächsen besetzten Gartens
ausmachte, war ihre Wohnung. In der Nähe lagen
viele Hütten, in denen sich Fischer, Hirten und
Winzer aufhielten. Unsre Kammern und Keller waren
mit allem, was das Leben erhält und erhöht,
reichlich versehn, und unser Hausgeräte ward durch
wohlerdachte Arbeit auch den verborgenen Sinnen
angenehm. Es fehlte auch sonst nicht an
mannigfaltigen Gegenständen, deren Betrachtung und
Gebrauch das Gemüt über das gewöhnliche Leben und
seine Bedürfnisse erhoben, und es zu einem
angemessenern Zustande vorzubereiten, ihm den
lautern Genuß seiner vollen, eigentümlichen Natur
zu versprechen und zu gewähren schienen. Man sah
steinerne Menschen-Bilder, mit Geschichten bemalte
Gefäße, kleinere Steine mit den deutlichsten
Figuren, und andre Gerätschaften mehr, die aus
andern und erfreulicheren Zeiten zurückgeblieben
sein mochten. Auch lagen in Fächern übereinander
viele Pergamentrollen, auf denen in langen Reihen
Buchstaben die Kenntnisse und Gesinnungen, die
Geschichten und Gedichte jener Vergangenheit in
anmutigen und künstlichen Ausdrücken bewahrt
standen. Der Ruf meines Vaters, den er sich als
ein geschickter Sterndeuter zuwege brachte, zog
ihm zahlreiche Anfragen und Besuche, selbst aus
entlegneren Ländern zu, und da das Vorwissen der
Zukunft den Menschen eine sehr seltne und
köstliche Gabe dünkte, so glaubten sie ihre
Mitteilungen gut belohnen zu müssen, so daß mein
Vater durch die erhaltenen Geschenke in den Stand
gesetzt wurde, die Kosten seiner bequemen und
genußreichen Lebensart hinreichend bestreiten zu
können.«
(RUB 8939, S. 174–175)
[228. Absatz]
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