[212. Absatz]
»Ja«, sagte Heinrich, »wir haben von Kinderjahren
angefangen zu reden, und von der Erziehung, weil
wir in Euren Gärten waren und die eigentliche
Offenbarung der Kindheit, die unschuldige
Blumenwelt, unmerklich in unser Gedächtnis und auf
unsre Lippen die Erinnerung der alten Bekanntschaft
brachte. Mein Vater ist auch ein großer Freund des
Gartenlebens und die glücklichsten Stunden seines
Lebens bringt er unter den Blumen zu. Dies hat
auch gewiß seinen Sinn für die Kinder so offen
erhalten, da Blumen die Ebenbilder der Kinder
sind. Den vollen Reichtum des unendlichen Lebens,
die gewaltigen Mächte der spätern Zeit, die
Herrlichkeit des Weltendes, und die goldene Zukunft
aller Dinge sehen wir hier noch innig ineinander
verschlungen, aber doch auf das deutlichste und
klarste in zarter Verjüngung. Schon treibt die
allmächtige Liebe, aber sie zündet noch nicht: es
ist keine verzehrende Flamme, es ist ein
zerrinnender Duft, und so innig die Vereinigung
der zärtlichen Seelen auch ist, so ist sie doch
von keiner heftigen Bewegung und keiner fressenden
Wut begleitet, wie bei den Tieren. So ist die
Kindheit in der Tiefe zunächst an der Erde,
dahingegen die Wolken vielleicht die Erscheinungen
der zweiten, höheren Kindheit, des wiedergefundenen
Paradieses sind, und darum so wohltätig auf die
erstere heruntertauen.«
(RUB 8939, S. 169–170)
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