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»Auf mich«, sagte Sylvester, »hat freilich
die lebendige Natur, die regsame Überkleidung
der Gegend, immer am meisten gewirkt.
Ich bin nicht müde geworden, besonders die
verschiedene Pflanzennatur auf das sorgfältigste
zu betrachten. Die Gewächse sind so die
unmittelbarste Sprache des Bodens, jedes neue
Blatt, jede sonderbare Blume ist irgend ein
Geheimnis, das sich hervordrängt, und das, weil es
sich vor Liebe und Lust nicht bewegen und nicht zu
Worten kommen kann, eine stumme, ruhige Pflanze
wird. Findet man in der Einsamkeit eine solche
Blume, ist es da nicht, als wäre alles umher
verklärt und hielten sich die kleinen befiederten
Töne am liebsten in ihrer Nähe auf? Man möchte für
Freuden weinen, und abgesondert von der Welt nur
seine Hände und Füße in die Erde stecken, um
Wurzeln zu treiben, und nie diese glückliche
Nachbarschaft zu verlassen. Über die ganze trockne
Welt ist dieser grüne, geheimnisvolle Teppich der
Liebe gezogen. Mit jedem Frühjahr wird er erneuert,
und seine seltsame Schrift ist nur dem Geliebten
lesbar, wie der Blumenstrauß des Orients; ewig wird
er lesen, und sich nicht satt lesen, und täglich
neue Bedeutungen, neue entzückende Offenbarungen
der liebenden Natur gewahr werden. Dieser
unendliche Genuß ist der geheime Reiz, den die
Begehung der Erdfläche für mich hat, indem eine
jede Gegend andre Rätsel löset, und mich immer mehr
erraten läßt, woher der Weg komme und wohin er gehe.«
(RUB 8939, S. 168–169)
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