[199. Absatz]
Unter seinem Gesang war er nichts gewahr worden;
wie er aber aufsah, stand ein junges Mädchen nahe
bei ihm am Felsen, die ihn freundlich wie einen
alten Bekannten grüßte, und ihn einlud mit zu
ihrer Wohnung zu gehn, wo sie ihm schon ein
Abendessen zubereitet habe. Ihr ganzes Wesen und Tun
war ihm befreundet. Sie bat ihn, noch einige Augenblicke
zu verziehn, trat unter den Baum, sah mit einem
unaussprechlichen Lächeln hinauf und schüttete aus
ihrer Schürze viele Rosen auf das Gras. Sie kniete
still daneben, stand aber bald wieder auf und
führte den Pilger fort.
»Wer hat dir von mir gesagt?« frug der Pilgrim.
»Unsre Mutter.«
»Wer ist deine Mutter?«
»Die Mutter Gottes.«
»Seit wann bist du hier?«
»Seitdem ich aus dem Grabe gekommen bin.«
»Warst du schon einmal gestorben?«
»Wie könnt ich denn leben?«
»Lebst du hier ganz allein?«
»Ein alter Mann ist zu Hause, doch kenn ich noch viele,
die gelebt haben.«
»Hast du Lust bei mir zu bleiben?«
»Ich habe dich ja lieb.«
»Woher kennst du mich?«
»O! von alten Zeiten; auch erzählte mir meine ehmalige
Mutter zeither immer von dir.«
»Hast du noch eine Mutter?«
»Ja, aber es ist eigentlich dieselbe.«
»Wie hieß sie?«
»Maria.«
»Wer war dein Vater?«
»Der Graf von Hohenzollern.«
»Den kenn ich auch.«
»Wohl mußt du ihn kennen, denn er ist auch dein Vater.«
»Mein Vater ist in Eisenach.«
»Du hast mehr Eltern.«
»Wo gehen wir denn hin?«
»Immer nach Hause.«
(RUB 8939, S. 163–164)
[198. Absatz]
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