[124.–125. Absatz]
»Ist aber dem Dichter nicht ein inniger Glaube an
die menschliche Regierung des Schicksals
unentbehrlich?«
»Unentbehrlich allerdings, weil er sich das
Schicksal nicht anders vorstellen kann, wenn er
reiflich darüber nachdenkt; aber wie entfernt ist
diese heitere Gewißheit, von jener ängstlichen
Ungewißheit, von jener blinden Furcht des
Aberglaubens. Und so ist auch die kühle, belebende
Wärme eines dichterischen Gemüts gerade das
Widerspiel von jener wilden Hitze eines
kränklichen Herzens. Diese ist arm, betäubend und
vorübergehend; jene sondert alle Gestalten rein
ab, begünstigt die Ausbildung der mannigfaltigsten
Verhältnisse, und ist ewig durch sich selbst. Der
junge Dichter kann nicht kühl, nicht besonnen
genug sein. Zur wahren, melodischen Gesprächigkeit
gehört ein weiter, aufmerksamer und ruhiger Sinn.
Es wird ein verworrnes Geschwätz, wenn ein
reißender Sturm in der Brust tobt, und die
Aufmerksamkeit in eine zitternde Gedankenlosigkeit
auflöst. Nochmals wiederhole ich, das echte Gemüt
ist wie das Licht, ebenso ruhig und empfindlich,
ebenso elastisch und durchdringlich, ebenso
mächtig und ebenso unmerklich wirksam als dieses
köstliche Element, das auf alle Gegenstände sich
mit feiner Abgemessenheit verteilt, und sie alle
in reizender Mannigfaltigkeit erscheinen läßt. Der
Dichter ist reiner Stahl, ebenso empfindlich, wie
ein zerbrechlicher Glasfaden, und ebenso hart, wie
ein ungeschmeidiger Kiesel.«
(RUB 8939, S. 110)
[123. Absatz]
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[126. Absatz]
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