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Aquarium > Das Werk > Heinrich von Ofterdingen (1799–1800) > [84. Absatz]


[84. Absatz]

»Es ist erfreulich«, sagte der Alte, »jene allmähliche Beruhigung der Natur zu bemerken. Ein immer innigeres Einverständnis, eine friedlichere Gemeinschaft, eine gegenseitige Unterstützung und Belebung, scheint sich allmählich gebildet zu haben, und wir können immer besseren Zeiten entgegensehn. Es wäre vielleicht möglich, daß hin und wieder noch alter Sauerteig gärte, und noch einige heftige Erschütterungen erfolgten; indes sieht man doch das allmächtige Streben nach freier, einträchtiger Verfassung, und in diesem Geiste wird jede Erschütterung vorübergehen und dem großen Ziele näher führen. Mag es sein, daß die Natur nicht mehr so fruchtbar ist, daß heutzutage keine Metalle und Edelsteine, keine Felsen und Berge mehr entstehn, daß Pflanzen und Tiere nicht mehr zu so erstaunlichen Größen und Kräften aufquellen; je mehr sich ihre erzeugende Kraft erschöpft hat, desto mehr haben ihre bildenden, veredelnden und geselligen Kräfte zugenommen, ihr Gemüt ist empfänglicher und zarter, ihre Phantasie mannigfaltiger und sinnbildlicher, ihre Hand leichter und kunstreicher geworden. Sie nähert sich dem Menschen, und wenn sie ehmals ein wildgebärender Fels war, so ist sie jetzt eine stille, treibende Pflanze, eine stumme menschliche Künstlerin. Wozu wäre auch eine Vermehrung jener Schätze nötig, deren Überfluß auf undenkliche Zeiten ausreicht. Wie klein ist der Raum, den ich durchwandert bin, und welche mächtige Vorräte habe ich nicht gleich auf den ersten Blick gefunden, deren Benutzung der Nachwelt überlassen bleibt. Welche Reichtümer verschließen nicht die Gebirge nach Norden, welche günstige Anzeichen fand ich nicht in meinem Vaterlande überall, in Ungarn, am Fuße der Karpatischen Gebirge, und in den Felsentälern von Tirol, Östreich und Bayern. Ich könnte ein reicher Mann sein, wenn ich das hätte mit mir nehmen können, was ich nur aufzuheben, nur abzuschlagen brauchte. An manchen Orten sah ich mich, wie in einem Zaubergarten. Was ich ansah, war von köstlichen Metallen und auf das kunstreichste gebildet. In den zierlichen Locken und Ästen des Silbers hingen glänzende, rubinrote, durchsichtige Früchte, und die schweren Bäumchen standen auf kristallenem Grunde, der ganz unnachahmlich ausgearbeitet war. Man traute kaum seinen Sinnen an diesen wunderbaren Orten, und ward nicht müde diese reizenden Wildnisse zu durchstreifen und sich an ihren Kleinodien zu ergötzen. Auch auf meiner jetzigen Reise habe ich viele Merkwürdigkeiten gesehn, und gewiß ist in andern Ländern die Erde ebenso ergiebig und verschwenderisch.«

(RUB 8939, S. 87–88)

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Letzte Änderung am 04.02.2002.
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