Viertes Kapitel
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Einige Tagereisen waren ohne die mindeste
Unterbrechung geendigt. Der Weg war fest und
trocken, die Witterung erquickend und heiter, und
die Gegenden, durch die sie kamen, fruchtbar,
bewohnt und mannigfaltig. Der furchtbare Thüringer
Wald lag im Rücken; die Kaufleute hatten den Weg
öfterer gemacht, waren überall mit den Leuten
bekannt, und erfuhren die gastfreiste Aufnahme.
Sie vermieden die abgelegenen und durch Räubereien
bekannten Gegenden, und nahmen, wenn sie ja
gezwungen waren, solche zu durchreisen, ein
hinlängliches Geleite mit. Einige Besitzer
benachbarter Bergschlösser standen mit den
Kaufleuten in gutem Vernehmen. Sie wurden besucht
und bei ihnen nachgefragt, ob sie Bestellungen
nach Augsburg zu machen hätten. Eine freundliche
Bewirtung ward ihnen zuteil, und die Frauen und
Töchter drängten sich mit herzlicher Neugier um
die Fremdlinge. Heinrichs Mutter gewann sie bald
durch ihre gutmütige Bereitwilligkeit und
Teilnahme. Man war erfreut eine Frau aus der
Residenzstadt zu sehn, die ebenso willig die
Neuigkeiten der Mode, als die Zubereitung einiger
schmackhafter Schüsseln mitteilte. Der junge
Ofterdingen ward von Rittern und Frauen wegen
seiner Bescheidenheit und seines ungezwungenen
milden Betragens gepriesen, und die letztern
verweilten gern auf seiner einnehmenden Gestalt,
die wie das einfache Wort eines Unbekannten war,
das man fast überhört, bis längst nach seinem
Abschiede es seine tiefe unscheinbare Knospe immer
mehr auftut, und endlich eine herrliche Blume in
allem Farbenglanze dichtverschlungener Blätter
zeigt, so daß man es nie vergißt, nicht müde wird
es zu wiederholen, und einen unversieglichen immer
gegenwärtigen Schatz daran hat. Man besinnt sich
nun genauer auf den Unbekannten, und ahndet und
ahndet, bis es auf einmal klar wird, daß es ein
Bewohner der höhern Welt gewesen sei. – Die
Kaufleute erhielten eine große Menge Bestellungen,
und man trennte sich gegenseitig mit herzlichen
Wünschen, einander bald wieder zu sehn. Auf einem
dieser Schlösser, wo sie gegen Abend hinkamen,
ging es fröhlich zu. Der Herr des Schlosses war
ein alter Kriegsmann, der die Muße des Friedens,
und die Einsamkeit seines Aufenthalts mit öftern
Gelagen feierte und unterbrach, und außer dem
Kriegsgetümmel und der Jagd keinen andern
Zeitvertreib kannte, als den gefüllten Becher.
(RUB 8939, S. 49–51)
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