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Heinrich war eben zwanzig Jahr alt geworden. Er
war nie über die umliegenden Gegenden seiner
Vaterstadt hinausgekommen; die Welt war ihm nur
aus Erzählungen bekannt. Wenig Bücher waren ihm zu
Gesichte gekommen. Bei der Hofhaltung des
Landgrafen ging es nach der Sitte der damaligen
Zeiten einfach und still zu; und die Pracht und
Bequemlichkeit des fürstlichen Lebens dürfte sich
schwerlich mit den Annehmlichkeiten messen, die in
spätern Zeiten ein bemittelter Privatmann sich
und den Seinigen ohne Verschwendung verschaffen
konnte. Dafür war aber der Sinn für die
Gerätschaften und Habseligkeiten, die der Mensch
zum mannigfachen Dienst seines Lebens um sich her
versammelt, desto zarter und tiefer. Sie waren den
Menschen werter und merkwürdiger. Zog schon das
Geheimnis der Natur und die Entstehung ihrer
Körper den ahndenden Geist an: so erhöhte die
seltenere Kunst ihrer Bearbeitung die romantische
Ferne, aus der man sie erhielt, und die Heiligkeit
ihres Altertums, da sie sorgfältiger bewahrt, oft
das Besitztum mehrerer Nachkommenschaften wurden,
die Neigung zu diesen stummen Gefährten des
Lebens. Oft wurden sie zu dem Rang von geweihten
Pfändern eines besondern Segens und Schicksals
erhoben, und das Wohl ganzer Reiche und
weitverbreiteter Familien hing an ihrer Erhaltung.
Eine liebliche Armut schmückte diese Zeiten mit
einer eigentümlichen ernsten und unschuldigen
Einfalt; und die sparsam verteilten Kleinodien
glänzten desto bedeutender in dieser Dämmerung,
und erfüllten ein sinniges Gemüt mit wunderbaren
Erwartungen. Wenn es wahr ist, daß erst eine
geschickte Verteilung von Licht, Farbe und
Schatten die verborgene Herrlichkeit der
sichtbaren Welt offenbart, und sich hier ein neues
höheres Auge aufzutun scheint: so war damals
überall eine ähnliche Verteilung und
Wirtschaftlichkeit wahrzunehmen; da hingegen die
neuere wohlhabendere Zeit das einförmige und
unbedeutendere Bild eines allgemeinen Tages
darbietet. In allen Übergängen scheint, wie in
einem Zwischenreiche, eine höhere, geistliche
Macht durchbrechen zu wollen; und wie auf der
Oberfläche unseres Wohnplatzes, die an
unterirdischen und überirdischen Schätzen
reichsten Gegenden in der Mitte zwischen den
wilden, unwirtlichen Urgebirgen und den
unermeßlichen Ebenen liegen, so hat sich auch
zwischen den rohen Zeiten der Barbarei, und dem
kunstreichen, vielwissenden und begüterten
Weltalter eine tiefsinnige und romantische Zeit
niedergelassen, die unter schlichtem Kleide eine
höhere Gestalt verbirgt. Wer wandelt nicht gern im
Zwielichte, wenn die Nacht am Lichte und das Licht
an der Nacht in höhere Schatten und Farben
zerbricht; und also vertiefen wir uns willig in
die Jahre, wo Heinrich lebte und jetzt neuen
Begebenheiten mit vollem Herzen entgegenging. Er
nahm Abschied von seinen Gespielen und seinem
Lehrer, dem alten weisen Hofkaplan, der Heinrichs
fruchtbare Anlagen kannte, und ihn mit gerührtem
Herzen und einem stillen Gebete entließ. Die
Landgräfin war seine Patin; er war oft auf der
Wartburg bei ihr gewesen. Auch jetzt beurlaubte er
sich bei seiner Beschützerin, die ihm gute Lehren
und eine goldene Halskette verehrte, und mit
freundlichen Äußerungen von ihm schied.
(RUB 8939, S. 18–20)
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