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Die Blumen und Bäume wuchsen und grünten mit
Macht. Alles schien beseelt. Alles sprach und
sang. Fabel grüßte überall alte Bekannte. Die
Tiere nahten sich mit freundlichen Grüßen den
erwachten Menschen. Die Pflanzen bewirteten sie
mit Früchten und Düften, und schmückten sie auf
das zierlichste. Kein Stein lag mehr auf einer
Menschenbrust, und alle Lasten waren in sich
selbst zu einem festen Fußboden zusammengesunken.
Sie kamen an das Meer. Ein Fahrzeug von
geschliffenem Stahl lag am Ufer festgebunden. Sie
traten hinein und lösten das Tau. Die Spitze
richtete sich nach Norden, und das Fahrzeug
durchschnitt, wie im Fluge, die buhlenden Wellen.
Lispelndes Schilf hielt seinen Ungestüm auf, und
es stieß leise an das Ufer. Sie eilten die breiten
Treppen hinan. Die Liebe wunderte sich über die
königliche Stadt und ihre Reichtümer. Im Hofe
sprang der lebendiggewordne Quell, der Hain
bewegte sich mit den süßesten Tönen, und ein
wunderbares Leben schien in seinen heißen Stämmen
und Blättern, in seinen funkelnden Blumen und
Früchten zu quellen und zu treiben. Der alte Held
empfing sie an den Toren des Palastes.
›Ehrwürdiger Alter‹, sagte Fabel, ›Eros bedarf
dein Schwert. Gold hat ihm eine Kette gegeben, die
mit einem Ende in das Meer hinunterreicht, und mit
dem andern um seine Brust geschlungen ist. Fasse
sie mit mir an, und führe uns in den Saal, wo die
Prinzessin ruht.‹ Eros nahm aus der Hand des Alten
das Schwert, setzte den Knopf auf seine Brust, und
neigte die Spitze vorwärts. Die Flügeltüren des
Saals flogen auf, und Eros nahte sich entzückt der
schlummernden Freya. Plötzlich geschah ein
gewaltiger Schlag. Ein heller Funken fuhr von der
Prinzessin nach dem Schwerte; das Schwert und die
Kette leuchteten, der Held hielt die kleine Fabel,
die beinah umgesunken wäre. Eros' Helmbusch wallte
empor. ›Wirf das Schwert weg‹, rief Fabel, ›und
erwecke deine Geliebte.‹ Eros ließ das Schwert
fallen, flog auf die Prinzessin zu, und küßte
feurig ihre süßen Lippen. Sie schlug ihre großen
dunkeln Augen auf, und erkannte den Geliebten. Ein
langer Kuß versiegelte den ewigen Bund.
(RUB 8939, S. 148–149)
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