[134. Absatz]
»Ich weiß nicht«, sagte Klingsohr, »warum man es
für Poesie nach gemeiner Weise hält, wenn man die
Natur für einen Poeten ausgibt. Sie ist es nicht
zu allen Zeiten. Es ist in ihr, wie in dem
Menschen, ein entgegengesetztes Wesen, die dumpfe
Begierde und die stumpfe Gefühllosigkeit und
Trägheit, die einen rastlosen Streit mit der
Poesie führen. Er wäre ein schöner Stoff zu einem
Gedicht, dieser gewaltige Kampf. Manche Länder und
Zeiten scheinen, wie die meisten Menschen, ganz
unter der Botmäßigkeit dieser Feindin der Poesie
zu stehen, dagegen in andern die Poesie
einheimisch und überall sichtbar ist. Für den
Geschichtschreiber sind die Zeiten dieses Kampfes
äußerst merkwürdig, ihre Darstellung ein reizendes
und belohnendes Geschäft. Es sind gewöhnlich die
Geburtszeiten der Dichter. Der Widersacherin ist
nichts unangenehmer, als daß sie der Poesie
gegenüber selbst zu einer poetischen Person wird,
und nicht selten in der Hitze die Waffen mit ihr
tauscht, und von ihrem eigenen heimtückischen
Geschosse heftig getroffen wird, dahingegen die
Wunden der Poesie, die sie von ihren eigenen
Waffen erhält, leicht heilen und sie nur noch
reizender und gewaltiger machen.«
(RUB 8939, S. 114)
[133. Absatz]
|
[135. Absatz]
|
|