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Mathilde schwieg. Ihr Vater fing ein Gespräch mit
ihm an, in welchem Heinrich mit der lebhaftesten
Begeisterung sprach. Die Nächsten wunderten sich
über des Jünglings Beredsamkeit, über die Fülle
seiner bildlichen Gedanken. Mathilde sah ihn mit
stiller Aufmerksamkeit an. Sie schien sich über
seine Reden zu freuen, die sein Gesicht mit den
sprechendsten Mienen noch mehr erklärte. Seine
Augen glänzten ungewöhnlich. Er sah sich zuweilen
nach Mathilden um, die über den Ausdruck seines
Gesichts erstaunte. Im Feuer des Gesprächs ergriff
er unvermerkt ihre Hand, und sie konnte nicht
umhin, manches was er sagte, mit einem leisen
Druck zu bestätigen. Klingsohr wußte seinen
Enthusiasmus zu unterhalten, und lockte allmählich
seine ganze Seele auf die Lippen. Endlich stand
alles auf. Alles schwärmte durcheinander. Heinrich
war an Mathildens Seite geblieben. Sie standen
unbemerkt abwärts. Er hielt ihre Hand und küßte
sie zärtlich. Sie ließ sie ihm, und blickte ihn
mit unbeschreiblicher Freundlichkeit an. Er konnte
sich nicht halten, neigte sich zu ihr und küßte
ihre Lippen. Sie war überrascht, und erwiderte
unwillkürlich seinen heißen Kuß. Gute Mathilde,
lieber Heinrich, das war alles, was sie
einander sagen konnten. Sie drückte seine Hand,
und ging unter die andern. Heinrich stand, wie im
Himmel. Seine Mutter kam auf ihn zu. Er ließ seine
ganze Zärtlichkeit an ihr aus. Sie sagte: »Ist es
nicht gut, daß wir nach Augsburg gereist sind?
Nicht wahr, es gefällt dir?« »Liebe Mutter«, sagte
Heinrich, »so habe ich mir es doch nicht
vorgestellt. Es ist ganz herrlich.«
(RUB 8939, S. 104)
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