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[103. Absatz]
Heinrich und Mathilde wurden rot. Sie sahen sich
einander mit Verwunderung an. Sie fragte ihn mit
kaum hörbaren leisen Worten: ob er gern tanzte.
Eben als er die Frage bejahte, fing eine fröhliche
Tanzmusik an. Er bot ihr schweigend seine Hand;
sie gab ihm die ihrige, und sie mischten sich in
die Reihe der walzenden Paare. Schwaning und
Klingsohr sahen zu. Die Mutter und die Kaufleute
freuten sich über Heinrichs Behendigkeit und seine
liebliche Tänzerin. Die Mutter hatte genug mit
ihren Jugendfreundinnen zu sprechen, die ihr zu
einem so wohlgebildeten und so hoffnungsvollen
Sohn Glück wünschten. Klingsohr sagte zu
Schwaning: »Euer Enkel hat ein anziehendes
Gesicht. Es zeigt ein klares und umfassendes
Gemüt, und seine Stimme kommt tief aus dem
Herzen.« »Ich hoffe«, erwiderte Schwaning, »daß er
Euer gelehriger Schüler sein wird. Mich deucht er
ist zum Dichter geboren. Euer Geist komme über
ihn. Er sieht seinem Vater ähnlich; nur scheint er
weniger heftig und eigensinnig. Jener war in
seiner Jugend voll glücklicher Anlagen. Eine
gewisse Freisinnigkeit fehlte ihm. Es hätte mehr
aus ihm werden können, als ein fleißiger und
fertiger Künstler.« – Heinrich wünschte den Tanz
nie zu endigen. Mit innigem Wohlgefallen ruhte sein
Auge auf den Rosen seiner Tänzerin. Ihr
unschuldiges Auge vermied ihn nicht. Sie schien
der Geist ihres Vaters in der lieblichsten
Verkleidung. Aus ihren großen ruhigen Augen sprach
ewige Jugend. Auf einem lichthimmelblauen Grunde
lag der milde Glanz der braunen Sterne. Stirn und
Nase senkten sich zierlich um sie her. Eine nach
der aufgehenden Sonne geneigte Lilie war ihr
Gesicht, und von dem schlanken, weißen Halse
schlängelten sich blaue Adern in reizenden
Windungen um die zarten Wangen. Ihre Stimme war
wie ein fernes Echo, und das braune lockige
Köpfchen schien über der leichten Gestalt nur zu
schweben.
(RUB 8939, S. 98–99)
[102. Absatz]
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[104. Absatz]
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Letzte Änderung am 04.02.2002.
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