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        [53. Absatz]
 
        Nach einer Weile sagte Heinrich: »Ihr mögt seitdem
        viel seltsame Dinge gesehn und erfahren haben;
        hoffentlich hat Euch nie Eure gewählte Lebensart
        gereut? Wärt Ihr nicht so gefällig und erzähltet
        uns, wie es Euch seitdem ergangen, und auf welcher
        Reise Ihr jetzt begriffen seid? Es scheint, als
        hättet ihr Euch weiter in der Welt umgesehn, und
        gewiß darf ich vermuten, daß ihr jetzt mehr, als
        einen gemeinen Bergmann vorstellt.« »Es ist mir
        selber lieb«, sagte der Alte, »mich der
        verflossenen Zeiten zu erinnern, in denen ich
        Anlässe finde, mich der göttlichen Barmherzigkeit
        und Güte zu erfreun. Das Geschick hat mich durch
        ein frohes und heitres Leben geführt, und es ist
        kein Tag vorübergegangen, an welchem ich mich
        nicht mit dankbarem Herzen zur Ruhe gelegt hätte.
        Ich bin immer glücklich in meinen Verrichtungen
        gewesen, und unser aller Vater im Himmel hat mich
        vor dem Bösen behütet, und in Ehren grau werden
        lassen. Nächst ihm habe ich alles meinem alten
        Meister zu verdanken, der nun lange zu seinen
        Vätern versammelt ist, und an den ich nie ohne
        Tränen denken kann. Er war ein Mann aus der alten
        Zeit nach dem Herzen Gottes. Mit tiefen Einsichten
        war er begabt, und doch kindlich und demütig in
        seinem Tun. Durch ihn ist das Bergwerk in großen
        Flor gekommen, und hat dem Herzoge von Böhmen zu
        ungeheuren Schätzen verholfen. Die ganze Gegend
        ist dadurch bevölkert und wohlhabend, und ein
        blühendes Land geworden. Alle Bergleute verehrten
        ihren Vater in ihm, und so lange Eula steht, wird
        auch sein Name mit Rührung und Dankbarkeit genannt
        werden. Er war seiner Geburt nach ein Lausitzer und
        hieß Werner. Seine einzige Tochter war noch ein
        Kind, wie ich zu ihm ins Haus kam. Meine
        Emsigkeit, meine Treue, und meine
        leidenschaftliche Anhänglichkeit an ihn, gewannen
        mir seine Liebe mit jedem Tage mehr. Er gab mir
        seinen Namen und machte mich zu seinem Sohne. Das
        kleine Mädchen ward nachgerade ein wackres,
        muntres Geschöpf, deren Gesicht so freundlich
        glatt und weiß war, wie ihr Gemüt. Der Alte sagte
        mir oft, wenn er sah, daß sie mir zugetan war, daß
        ich gern mit ihr schäkerte, und kein Auge von den
        ihrigen verwandte, die so blau und offen, wie der
        Himmel waren, und wie die Kristalle glänzten: wenn
        ich ein rechtlicher Bergmann werden würde, wolle
        er sie mir nicht versagen; und er hielt Wort. –
        Den Tag, wie ich Häuer wurde, legte er seine Hände
        auf uns und segnete uns als Braut und Bräutigam
        ein, und wenig Wochen darauf führte ich sie als
        meine Frau auf meine Kammer. Denselben Tag hieb
        ich in der Frühschicht noch als Lehrhäuer, eben
        wie die Sonne oben aufging, eine reiche Ader an.
        Der Herzog schickte mir eine goldene Kette mit
        seinem Bildnis auf einer großen Münze, und
        versprach mir den Dienst meines Schwiegervaters.
        Wie glücklich war ich, als ich sie am Hochzeittage
        meiner Braut um den Hals hängen konnte, und aller
        Augen auf sie gerichtet waren. Unser alter Vater
        erlebte noch einige muntre Enkel, und die Anbrüche
        seines Herbstes waren reicher, als er gedacht
        hatte. Er konnte mit Freudigkeit seine Schicht
        beschließen, und aus der dunkeln Grube dieser Welt
        fahren, um in Frieden auszuruhen, und den großen
        Lohntag zu erwarten.«
        
        (RUB 8939, S. 65–67)
        
        
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