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Nach einer Weile sagte Heinrich: »Ihr mögt seitdem
viel seltsame Dinge gesehn und erfahren haben;
hoffentlich hat Euch nie Eure gewählte Lebensart
gereut? Wärt Ihr nicht so gefällig und erzähltet
uns, wie es Euch seitdem ergangen, und auf welcher
Reise Ihr jetzt begriffen seid? Es scheint, als
hättet ihr Euch weiter in der Welt umgesehn, und
gewiß darf ich vermuten, daß ihr jetzt mehr, als
einen gemeinen Bergmann vorstellt.« »Es ist mir
selber lieb«, sagte der Alte, »mich der
verflossenen Zeiten zu erinnern, in denen ich
Anlässe finde, mich der göttlichen Barmherzigkeit
und Güte zu erfreun. Das Geschick hat mich durch
ein frohes und heitres Leben geführt, und es ist
kein Tag vorübergegangen, an welchem ich mich
nicht mit dankbarem Herzen zur Ruhe gelegt hätte.
Ich bin immer glücklich in meinen Verrichtungen
gewesen, und unser aller Vater im Himmel hat mich
vor dem Bösen behütet, und in Ehren grau werden
lassen. Nächst ihm habe ich alles meinem alten
Meister zu verdanken, der nun lange zu seinen
Vätern versammelt ist, und an den ich nie ohne
Tränen denken kann. Er war ein Mann aus der alten
Zeit nach dem Herzen Gottes. Mit tiefen Einsichten
war er begabt, und doch kindlich und demütig in
seinem Tun. Durch ihn ist das Bergwerk in großen
Flor gekommen, und hat dem Herzoge von Böhmen zu
ungeheuren Schätzen verholfen. Die ganze Gegend
ist dadurch bevölkert und wohlhabend, und ein
blühendes Land geworden. Alle Bergleute verehrten
ihren Vater in ihm, und so lange Eula steht, wird
auch sein Name mit Rührung und Dankbarkeit genannt
werden. Er war seiner Geburt nach ein Lausitzer und
hieß Werner. Seine einzige Tochter war noch ein
Kind, wie ich zu ihm ins Haus kam. Meine
Emsigkeit, meine Treue, und meine
leidenschaftliche Anhänglichkeit an ihn, gewannen
mir seine Liebe mit jedem Tage mehr. Er gab mir
seinen Namen und machte mich zu seinem Sohne. Das
kleine Mädchen ward nachgerade ein wackres,
muntres Geschöpf, deren Gesicht so freundlich
glatt und weiß war, wie ihr Gemüt. Der Alte sagte
mir oft, wenn er sah, daß sie mir zugetan war, daß
ich gern mit ihr schäkerte, und kein Auge von den
ihrigen verwandte, die so blau und offen, wie der
Himmel waren, und wie die Kristalle glänzten: wenn
ich ein rechtlicher Bergmann werden würde, wolle
er sie mir nicht versagen; und er hielt Wort. –
Den Tag, wie ich Häuer wurde, legte er seine Hände
auf uns und segnete uns als Braut und Bräutigam
ein, und wenig Wochen darauf führte ich sie als
meine Frau auf meine Kammer. Denselben Tag hieb
ich in der Frühschicht noch als Lehrhäuer, eben
wie die Sonne oben aufging, eine reiche Ader an.
Der Herzog schickte mir eine goldene Kette mit
seinem Bildnis auf einer großen Münze, und
versprach mir den Dienst meines Schwiegervaters.
Wie glücklich war ich, als ich sie am Hochzeittage
meiner Braut um den Hals hängen konnte, und aller
Augen auf sie gerichtet waren. Unser alter Vater
erlebte noch einige muntre Enkel, und die Anbrüche
seines Herbstes waren reicher, als er gedacht
hatte. Er konnte mit Freudigkeit seine Schicht
beschließen, und aus der dunkeln Grube dieser Welt
fahren, um in Frieden auszuruhen, und den großen
Lohntag zu erwarten.«
(RUB 8939, S. 65–67)
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