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Abends kamen Bergleute zu ihm, und ich verfehlte
kein Wort von ihren Gesprächen, so unverständlich
und fremd mir sowohl die Sprache, als der größte
Teil des Inhalts ihrer Erzählungen vorkam. Das
wenige jedoch, was ich zu begreifen glaubte,
erhöhte die Lebhaftigkeit meiner Neugierde, und
beschäftigte mich des Nachts in seltsamen Träumen.
Ich erwachte beizeiten und fand mich bei meinem
neuen Wirte ein, bei dem sich allmählich die
Bergleute versammelten, um seine Verordnungen zu
vernehmen. Eine Nebenstube war zu einer kleinen
Kapelle vorgerichtet. Ein Mönch erschien und las
eine Messe, nachher sprach er ein feierliches
Gebet, worin er den Himmel anrief, die Bergleute
in seine heilige Obhut zu nehmen, sie bei ihren
gefährlichen Arbeiten zu unterstützen, vor
Anfechtungen und Tücken böser Geister sie zu
schützen, und ihnen reiche Anbrüche zu bescheren.
Ich hatte nie mit mehr Inbrunst gebetet, und nie
die hohe Bedeutung der Messe lebhafter empfunden.
Meine künftigen Genossen kamen mir wie
unterirdische Helden vor, die tausend Gefahren zu
überwinden hätten, aber auch ein beneidenswertes
Glück an ihren wunderbaren Kenntnissen besäßen,
und in dem ernsten, stillen Umgange mit den
uralten Felsensöhnen der Natur, in ihren dunkeln,
wunderbaren Kammern, zum Empfängnis himmlischer
Gaben und zur freudigen Erhebung über die Welt und
ihre Bedrängnisse ausgerüstet würden. Der Steiger
gab mir nach geendigtem Gottesdienst eine Lampe
und ein kleines hölzernes Kruzifix, und ging mit
mir nach dem Schachte, wie wir die schroffen
Eingänge in die unterirdischen Gebäude zu nennen
pflegen. Er lehrte mich die Art des Hinabsteigens,
machte mich mit den notwendigen
Vorsichtigkeitsregeln, sowie mit den Namen der
mannigfaltigen Gegenstände und Teile bekannt. Er
fuhr voraus, und schurrte auf dem runden Balken
hinunter, indem er sich mit der einen Hand an
einem Seil anhielt, das in einem Knoten an einer
Seitenstange fortglitschte, und mit der andern die
brennende Lampe trug; ich folgte seinem Beispiel,
und wir gelangten so mit ziemlicher Schnelle bald
in eine beträchtliche Tiefe. Mir war seltsam
feierlich zumute, und das vordere Licht funkelte
wie ein glücklicher Stern, der mir den Weg zu den
verborgenen Schatzkammern der Natur zeigte. Wir
kamen unten in einen Irrgarten von Gängen, und
mein freundlicher Meister ward nicht müde meine
neugierigen Fragen zu beantworten, und mich über
seine Kunst zu unterrichten. Das Rauschen des
Wassers, die Entfernung von der bewohnten
Oberfläche, die Dunkelheit und Verschlungenheit
der Gänge, und das entfernte Geräusch der
arbeitenden Bergleute ergötzte mich ungemein, und
ich fühlte nun mit Freuden mich im vollen Besitz
dessen, was von jeher mein sehnlichster Wunsch
gewesen war. Es läßt sich auch diese volle
Befriedigung eines angebornen Wunsches, diese
wundersame Freude an Dingen, die ein näheres
Verhältnis zu unserm geheimen Dasein haben mögen,
zu Beschäftigungen, für die man von der Wiege an
bestimmt und ausgerüstet ist, nicht erklären und
beschreiben. Vielleicht daß sie jedem andern
gemein, unbedeutend und abschreckend vorgekommen
wären; aber mir schienen sie so unentbehrlich zu
sein, wie die Luft der Brust und die Speise dem
Magen. Mein alter Meister freute sich über meine
innige Lust, und verhieß mir, daß ich bei diesem
Fleiße und dieser Aufmerksamkeit es weit bringen,
und ein tüchtiger Bergmann werden würde. Mit
welcher Andacht sah ich zum erstenmal in meinem
Leben am sechzehnten März, vor nunmehr
fünfundvierzig Jahren, den König der Metalle in
zarten Blättchen zwischen den Spalten des
Gesteins. Es kam mir vor, als sei er hier wie in
festen Gefängnissen eingesperrt und glänze
freundlich dem Bergmann entgegen, der mit so viel
Gefahren und Mühseligkeiten sich den Weg zu ihm
durch die starken Mauern gebrochen, um ihn an das
Licht des Tages zu fördern, damit er an
königlichen Kronen und Gefäßen und an heiligen
Reliquien zu Ehren gelangen, und in geachteten und
wohlverwahrten Münzen, mit Bildnissen geziert, die
Welt beherrschen und leiten möge. Von der Zeit an
blieb ich in Eula, und stieg allmählich bis zum
Häuer, welches der eigentliche Bergmann ist, der
die Arbeiten auf dem Gestein betreibt, nachdem ich
anfänglich bei der Ausförderung der losgehauenen
Stufen in Körben angestellt gewesen war.«
(RUB 8939, S. 63–65)
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