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Heinrich von Ofterdingen

Ein Roman

Erster Teil

Die Erwartung

[1. Absatz]

Zueignung

Du hast in mir den edeln Trieb erregt
  Tief ins Gemüt der weiten Welt zu schauen;
  Mit deiner Hand ergriff mich ein Vertrauen,
  Das sicher mich durch alle Stürme trägt.

Mit Ahndungen hast du das Kind gepflegt,
  Und zogst mit ihm durch fabelhafte Auen;
  Hast, als das Urbild zartgesinnter Frauen,
  Des Jünglings Herz zum höchsten Schwung bewegt.

Was fesselt mich an irdische Beschwerden?
  Ist nicht mein Herz und Leben ewig Dein?
  Und schirmt mich Deine Liebe nicht auf Erden?

Ich darf für Dich der edlen Kunst mich weihn;
  Denn Du, Geliebte, willst die Muse werden,
  Und stiller Schutzgeist meiner Dichtung sein.

In ewigen Verwandlungen begrüßt
  Uns des Gesangs geheime Macht hienieden,
  Dort segnet sie das Land als ewger Frieden,
  Indes sie hier als Jugend uns umfließt.

Sie ists, die Licht in unsre Augen gießt,
  Die uns den Sinn für jede Kunst beschieden,
  Und die das Herz der Frohen und der Müden
  In trunkner Andacht wunderbar genießt.

An ihrem vollen Busen trank ich Leben;
  Ich ward durch sie zu allem, was ich bin,
  Und durfte froh mein Angesicht erheben.

Noch schlummerte mein allerhöchster Sinn;
  Da sah ich sie als Engel zu mir schweben,
  Und flog, erwacht, in ihrem Arm dahin.

(RUB 8939, S. 1–7)

[2. Absatz]