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Einen König sollte nichts mehr am Herzen
liegen, als so vielseitig, so
unterrichtet, orientiert und
vorurteilsfrei, kurz so vollständiger
Mensch zu sein, und zu bleiben, als
möglich. Kein Mensch hat mehr Mittel in
Händen sich auf eine leichte Art diesen
höchsten Stil der Menschheit zu eigen zu
machen, als ein König. Durch Umgang und
Fortlernen kann er sich immer jung
erhalten. Ein alter König macht einen
Staat so grämlich, als er selbst ist. Wie
bequem könnte sich der König nicht die
Bekanntschaft mit den wissenschaftlichen
Fortschritten der Menschheit machen. Er
hat schon gelehrte Akademien. Wenn er sich
nun von diesen vollständige, genaue und
präzise Berichte über den vormaligen und
gegenwärtigen Zustand der Literatur
überhaupt terminliche Berichte über
die wissenswürdigsten Vorfälle in allem,
was den Menschen, als solchen,
interessiert Auszüge aus den
vorzüglichsten Büchern, und Bemerkungen
über dieselben, Hinweisungen auf
diejenigen Produkte der schönen Kunst, die
eigne Betrachtung und Genießung
verdienten, endlich Vorschläge zur
Beförderung wissenschaftlicher Kultur der
Untertanen, zur Aufnahme und Unterstützung
hoffnungsvoller bedeutender
Unternehmungen, und armer
vielversprechender Gelehrten, und zur
Ausfüllung szientifischer Lücken und
Entwicklung neuer literarischer Keime,
erforderte, und allenfalls Korrelationen
veranstaltete, so würde dies ihn instand
setzen seinen Staat unter andern Staaten,
seine Nation in der Menschheit und sich
selbst im großen zu übersehen, und hier in
der Tat sich zu einem königlichen Menschen
zu bilden. Der Mühe einer ungeheuren
Lektüre überhoben, genösse er die Früchte
der europäischen Studien im Extrakte, und
würde in kurzem durch fleißiges Überdenken
dieses geläuterten und inspissierten
Stoffs neue mächtige Kräfte seines Geistes
hervorgebrochen, und sich in einem reinern
Elemente, auf der Höhe des Zeitalters
erblicken. Wie divinatorisch würde sein
Blick, wie geschärft sein Urteil, wie
erhaben seine Gesinnung werden!
(RUB 8030, S. 56 f.)
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