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Zum Glück für die alte Verfassung tat sich
jetzt ein neu entstandener Orden hervor,
auf welchen der sterbende Geist der
Hierarchie seine letzten Gaben ausgegossen
zu haben schien, der mit neuer Kraft das
Alte zurüstete und mit wunderbarer
Einsicht und Beharrlichkeit, klüger, als
je vorher geschehen, sich des päpstlichen
Reichs und seiner mächtigern Regeneration
annahm. Noch war keine solche Gesellschaft
in der Weltgeschichte anzutreffen gewesen.
Mit größerer Sicherheit des Erfolgs hatte
selbst der alte römische Senat nicht Pläne
zur Welteroberung entworfen. Mit größerem
Verstand war an die Ausführung einer
größeren Idee noch nicht gedacht worden.
Ewig wird diese Gesellschaft ein Muster
aller Gesellschaften sein, die eine
organische Sehnsucht nach unendlicher
Verbreitung und ewiger Dauer fühlen,
aber auch ewig ein Beweis, daß die
unbewachte Zeit allein die klügsten
Unternehmungen vereitelt, und der
natürliche Wachstum des ganzen Geschlechts
unaufhaltsam den künstlichen Wachstum
eines Teils unterdrückt. Alles Einzelne
für sich hat ein eigenes Maß von
Fähigkeit, nur die Kapazität des
Geschlechts ist unermeßlich. Alle Pläne
müssen fehlschlagen, die nicht auf alle
Anlagen des Geschlechts vollständig
angelegte Pläne sind. Noch merkwürdiger
wird diese Gesellschaft, als Mutter der
sogenannten geheimen Gesellschaften, eines
jetzt noch unreifen, aber gewiß wichtigen
geschichtlichen Keims. Einen gefährlichern
Nebenbuhler konnte der neue Lutheranismus,
nicht Protestantismus, gewiß nicht
erhalten. Alle Zauber des katholischen
Glaubens wurden unter seiner Hand noch
kräftiger, die Schätze der Wissenschaften
flossen in seine Zelle zurück.
Was in Europa verloren war, suchten sie in
den andern Weltteilen, in dem fernsten
Abend und Morgen, vielfach
wiederzugewinnen, und die apostolische
Würde und Beruf sich zuzueignen und
geltend zu machen. Auch sie blieben in den
Bemühungen nach Popularität nicht zurück,
und wußten wohl wieviel Luther seinen
demagogischen Künsten, seinem Studium des
gemeinen Volks zu verdanken gehabt hatte.
Überall legten sie Schulen an, drangen in
die Beichtstühle, bestiegen die Katheder
und beschäftigten die Pressen, wurden
Dichter und Weltweise, Minister und
Märtyrer, und blieben in der ungeheuren
Ausdehnung von Amerika über Europa nach
China in dem wunderbarsten Einverständnis
der Tat und der Lehre. Aus ihren Schulen
rekrutierten sie mit weiser Auswahl ihren
Orden. Gegen die Lutheraner predigten sie
mit zerstörendem Eifer und suchten die
grausamste Vertilgung dieser Ketzer, als
eigentlicher Genossen des Teufels, zur
dringendsten Pflicht der katholischen
Christenheit zu machen. Ihnen allein
hatten die katholischen Staaten und
insonderheit der päpstliche Stuhl ihr
langes Überleben der Reformation zu danken
gehabt, und wer weiß, wie alt die Welt
noch aussehn würde, wenn nicht schwache
Obere, Eifersucht der Fürsten und andern
geistlichen Orden, Hofintrigen und andere
sonderbare Umstände ihren kühnen Lauf
unterbrochen und mit ihnen diese letzte
Schutzwehr der katholischen Verfassung
beinah vernichtet hätten. Jetzt schläft
er, dieser furchtbare Orden, in armseliger
Gestalt an den Grenzen von Europa,
vielleicht daß er von daher sich, wie das
Volk das ihn beschützt, mit neuer Gewalt
einst über seine alte Heimat, vielleicht
unter anderm Namen, verbreitet.
(RUB 8030, S. 75–76)
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