Der seltsame Reiter in der Kreuzhohle bei Hohenmölsen
Schon oft hatten die Leute erzählt, dass
es in der Kreuzhohle zwischen Hohenmölsen
und Zetzsch nicht geheuer sei. Nun aber
hieß es, man habe dort einen Reiter ohne
Kopf gesehen. Zuerst wusste man es von
zwei Männern aus Hohenmölsen. Die waren an
einem dunklen Herbstabend atemlos und
kreideweiß heimgekommen. Sie waren so in
Angst gejagt, dass sie sogar ihren
Apfeldiebstahl in einem Garten nahe der
Hohle ausplauderten. »Wir hatten«,
berichtete der eine, »einen Sack schon
voll und wollten eben nach dem nächsten
Baume gehen, als wir plötzlich durch die
Hohle einen schwarzen Reiter kommen sahen.
Wir drückten uns zur Erde nieder. Wie die
Gestalt ganz nahe war, sahen wir, dass es
ein Reiter ohne Kopf war. Ganz deutlich
sahen wir das. Langsam ritt die
unheimliche Gestalt durch die Hohle. Nur
ein großes schwarzes Kreuz ragte über die
Schulter.« »Ja«, fuhr der andere fort,
»mein Lebtag hol' ich nicht wieder Äpfel
aus einem fremden Garten. Wir sind
gelaufen, was wir konnten; den Sack haben
wir stehen gelassen.« Wirklich fand der
Gartenbesitzer am nächsten Tage den Sack
mit Äpfeln in seinem Garten. Ein paar Tage
später wollten dann auch zwei Zetscher
Bauern, die an einem stürmischen Abend von
Hohenmölsen kamen, den Reiter ohne Kopf
bemerkt haben. Immer und immer wieder
wurde in den nächsten Jahren davon
berichtet. Die Gärten und Felder an der
Hohle waren seitdem vor Feld- und
Gartendiebstählen sicher; denn jedermann
fürchtete, dort dem unheimlichen Reiter zu
begegnen.
Er sah nur unheimlich aus; in Wirklichkeit
war er es nicht. Er hatte auch einen Kopf
wie jeder gewöhnliche Reiter, nur hatte
der Hegereiter Hans Pommer – der war es –
seinen Mantel über den Kopf gezogen und
den Griff seines Degens darüber gehalten.
Hans Pommer lebte ums Jahr 1735.
Aus: Die vergrabene Truhe. Sagen und
Erzählungen aus dem Gebiet um Weißenfels,
Hohenmölsen und Zeitz. Ausgewählt und
zusammengestellt von Adolf Schmiedecke.
Weimar: Wartburg-Verlag 2002. S. 100-101.
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