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»Wenn der Denker«, sprach der dritte, »mit Recht
als Künstler den tätigen Weg betritt, und durch
eine geschickte Anwendung seiner geistigen
Bewegungen das Weltall auf eine einfache,
rätselhaft scheinende Figur zu reduzieren sucht,
ja man möchte sagen die Natur tanzt, und mit
Worten die Linien der Bewegungen nachschreibt, so
muß der Liebhaber der Natur dieses kühne
Unternehmen bewundern, und sich auch über das
Gedeihen dieser menschlichen Anlage freuen. Billig
stellt der Künstler die Tätigkeit obenan, denn
sein Wesen ist Tun und Hervorbringen mit Wissen
und Willen, und seine Kunst ist, sein Werkzeug zu
allem gebrauchen, die Welt auf seine Art
nachbilden zu können, und darum wird das Prinzip
seiner Welt Tätigkeit, und seine Welt seine Kunst.
Auch hier wird die Natur in neuer Herrlichkeit
sichtbar, und nur der gedankenlose Mensch wirft
die unleserlichen, wunderlich gemischten Worte mit
Verachtung weg. Dankbar legt der Priester diese
neue, erhabene Meßkunst auf den Altar zu der
magnetischen Nadel, die sich nie verirrt, und
zahllose Schiffe auf dem pfadlosen Ozean zu
bewohnten Küsten und den Häfen des Vaterlandes
zurückführte. Außer dem Denker gibt es aber noch
andre Freunde des Wissens, die dem Hervorbringen
durch Denken nicht vorzüglich zugetan, und also
ohne Beruf zu dieser Kunst, lieber Schüler der
Natur werden, ihre Freude im Lernen, nicht im
Lehren, im Erfahren, nicht im Machen, im
Empfangen, nicht im Geben finden. Einige sind
geschäftig und nehmen im Vertrauen auf die
Allgegenwart und die innige Verwandtschaft der
Natur, mithin auch im voraus von der
Unvollständigkeit und der Kontinuität alles
Einzelnen überzeugt, irgendeine Erscheinung mit
Sorgfalt auf, und halten den in tausend Gestalten
sich verwandelnden Geist derselben mit stetem
Blicke fest, und gehn dann an diesem Faden durch
alle Schlupfwinkel der geheimen Werkstätte, um
eine vollständige Verzeichnung dieser
labyrinthischen Gänge entwerfen zu können. Sind
sie mit dieser mühseligen Arbeit fertig, so ist
auch unvermerkt ein höherer Geist über sie
gekommen, und es wird ihnen dann leicht, über die
vorliegende Karte zu reden und jedem Suchenden
seinen Weg vorzuschreiben. Unermeßlicher Nutzen
segnet ihre mühsame Arbeit, und der Grundriß ihrer
Karte wird auf eine überraschende Weise mit dem
Systeme des Denkers übereinstimmen, und sie werden
diesem zum Trost gleichsam den lebendigen Beweis
seiner abstrakten Sätze unwillkürlich geführt
haben. Die Müßigsten unter ihnen erwarten kindlich
von liebevoller Mitteilung höherer, von ihnen mit
Inbrunst verehrter Wesen die ihnen nützliche
Kenntnis der Natur. Sie mögen Zeit und
Aufmerksamkeit in diesem kurzen Leben nicht
Geschäften widmen, und dem Dienste der Liebe
entziehn. Durch frommes Betragen suchen sie nur
Liebe zu gewinnen, nur Liebe mitzuteilen,
unbekümmert um das große Schauspiel der Kräfte,
ruhig ihrem Schicksale in diesem Reiche der Macht
ergeben, weil das innige Bewußtsein ihrer
Unzertrennlichkeit von den geliebten Wesen sie
erfüllt, und die Natur sie nur als Abbild und
Eigentum derselben rührt. Was brauchen diese
glücklichen Seelen zu wissen, die das beste Teil
erwählt haben, und als reine Flammen der Liebe in
dieser irdischen Welt nur auf den Spitzen der
Tempel oder auf umhergetriebenen Schiffen, als
Zeichen des überströmenden himmlischen Feuers
lodern? Oft erfahren diese liebenden Kinder in
seligen Stunden herrliche Dinge aus den
Geheimnissen der Natur, und tun sie in unbewußter
Einfalt kund. Ihren Tritten folgt der Forscher, um
jedes Kleinod zu sammeln, was sie in ihrer
Unschuld und Freude haben fallen lassen, ihrer
Liebe huldigt der mitfühlende Dichter und sucht
durch seine Gesänge diese Liebe, diesen Keim des
goldnen Alters, in andre Zeiten und Länder zu
verpflanzen.«
(RUB 7991, S. 90–92)
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