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Die Lehrlinge umarmten sich und gingen fort. Die
weiten hallenden Säle standen leer und hell da,
und das wunderbare Gespräch in zahllosen Sprachen
unter den tausendfaltigen Naturen, die in diesen
Sälen zusammengebracht und in mannigfaltigen
Ordnungen aufgestellt waren, dauerte fort. Ihre
innern Kräfte spielten gegeneinander. Sie strebten
in ihre Freiheit, in ihre alten Verhältnisse
zurück. Wenige standen auf Ihrem eigentlichen
Platze, und sahen in Ruhe dem mannigfaltigen
Treiben um sich her zu. Die übrigen klagten über
entsetzliche Qualen und Schmerzen, und bejammerten
das alte, herrliche Leben im Schoße der Natur, wo
sie eine gemeinschaftliche Freiheit vereinigte,
und jedes von selbst erhielt, was es bedurfte. »O!
daß der Mensch«, sagten sie, »die innre Musik der
Natur verstände, und einen Sinn für äußere
Harmonie hätte. Aber er weiß ja kaum, daß wir
zusammen gehören, und keins ohne das andere
bestehen kann. Er kann nichts liegen lassen,
tyrannisch trennt er uns und greift in lauter
Dissonanzen herum. Wie glücklich könnte er sein,
wenn er mit uns freundlich umginge, und auch in
unsern großen Bund träte, wie ehemals in der
goldnen Zeit, wie er sie mit Recht nennt. In jener
Zeit verstand er uns, wie wir ihn verstanden.
Seine Begierde, Gott zu werden, hat ihn von uns
getrennt, er sucht, was wir nicht wissen und
ahnden können, und seitdem ist er keine
begleitende Stimme, keine Mitbewegung mehr. Er
ahndet wohl die unendliche Wollust, den ewigen
Genuß in uns, und darum hat er eine so wunderbare
Liebe zu einigen unter uns. Der Zauber des Goldes,
die Geheimnisse der Farben, die Freuden des
Wassers sind ihm nicht fremd, in den Antiken
ahndet er die Wunderbarkeit der Steine, und
dennoch fehlt ihm noch die süße Leidenschaft für
das Weben der Natur, das Auge für unsre
entzückenden Mysterien. Lernt er nur einmal
fühlen? Diesen himmlischen, diesen natürlichsten
aller Sinne kennt er noch wenig: durch das Gefühl
würde die alte, ersehnte Zeit zurückkommen; das
Element des Gefühls ist ein inneres Licht, was
sich in schönern, kräftigern Farben bricht. Dann
gingen die Gestirne in ihm auf, er lernte die
ganze Welt fühlen, klärer und mannigfaltiger, als
ihm das Auge jetzt Grenzen und Flächen zeigt. Er
würde Meister eines unendlichen Spiels und vergäße
alle törichten Bestrebungen in einem ewigen, sich
selbst nährenden und immer wachsenden Genusse. Das
Denken ist nur ein Traum des Fühlens, ein
erstorbenes Fühlen, ein blaßgraues, schwaches
Leben.«
(RUB 7991, S. 81–82)
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