[15. Absatz]
»Die andern reden irre«, sagt ein ernster Mann zu
diesen. »Erkennen sie in der Natur nicht den
treuen Abdruck ihrer selbst? Sie selbst verzehren
sich in wilder Gedankenlosigkeit. Sie wissen
nicht, daß ihre Natur ein Gedankenspiel, eine
wüste Phantasie ihres Traumes ist. Ja wohl ist sie
ihnen ein entsetzliches Tier, eine seltsame
abenteuerliche Larve ihrer Begierden. Der wachende
Mensch sieht ohne Schaudern diese Brut seiner
regellosen Einbildungskraft, denn er weiß, daß es
nichtige Gespenster seiner Schwäche sind. Er fühlt
sich Herr der Welt, sein Ich schwebt mächtig über
diesem Abgrund, und wird in Ewigkeiten über diesem
endlosen Wechsel erhaben schweben. Einklang strebt
sein Inneres zu verkünden, zu verbreiten. Er wird
in die Unendlichkeit hinaus stets einiger mit sich
selbst und seiner Schöpfung um sich her sein, und
mit jedem Schritte die ewige Allwirksamkeit einer
hohen sittlichen Weltordnung, der Veste seines
Ichs, immer heller hervortreten sehn. Der Sinn der
Welt ist die Vernunft: um derentwillen ist sie da,
und wenn sie erst der Kampfplatz einer kindlichen,
aufblühenden Vernunft ist, so wird sie einst zum
göttlichen Bilde ihrer Tätigkeit, zum Schauplatz
einer wahren Kirche werden. Bis dahin ehre sie der
Mensch, als Sinnbild seines Gemüts, das sich mit
ihm in unbestimmbare Stufen veredelt. Wer also zur
Kenntnis der Natur gelangen will, übe seinen
sittlichen Sinn, handle und bilde dem edlen Kerne
seines Innern gemäß, und wie von selbst wird die
Natur sich vor ihm öffnen. Sittliches Handeln ist
jener große und einzige Versuch, in welchem alle
Rätsel der mannigfaltigsten Erscheinungen sich
lösen. Wer ihn versteht, und in strengen
Gedankenfolgen ihn zu zerlegen weiß, ist ewiger
Meister der Natur.«
(RUB 7991, S. 75–76)
[14. Absatz]
|
[16. Absatz]
|
|