[190. Absatz]
Auf dem schmalen Fußsteige, der ins Gebirg
hinauflief, ging ein Pilgrim in tiefen Gedanken.
Mittag war vorbei, ein starker Wind sauste durch
die blaue Luft. Seine dumpfen, mannigfaltigen
Stimmen verloren sich, wie sie kamen. War er
vielleicht durch die Gegenden der Kindheit
geflogen, oder durch andre redende Länder? Es
waren Stimmen, deren Echo nach dem Innersten klang,
und dennoch schien sie der Pilgrim nicht zu
kennen. Er hatte nun das Gebirg erreicht, wo er
das Ziel seiner Reise zu finden hoffte. – Hoffte? –
Er hoffte gar nichts mehr. Die entsetzliche Angst
und dann die trockne Kälte der gleichgültigsten
Verzweiflung trieben ihn, die wilden Schrecknisse
des Gebirgs aufzusuchen; der mühseligste Gang
beruhigte das zerstörende Spiel der innern
Gewalten. Er war matt, aber still. Noch sah er
nichts, was um ihn her sich allmählich gehäuft
hatte, als er sich auf einen Stein setzte und den
Blick rückwärts wandte. Es dünkte ihm, als träume
er jetzt, oder habe er geträumt. Eine
unübersehliche Herrlichkeit schien sich vor ihm
aufzutun. Bald flossen seine Tränen, indem sein
Innres plötzlich brach; er wollte sich in der
Ferne verweinen, daß auch keine Spur seines
Daseins übrig bliebe. Unter dem heftigen
Schluchzen schien er zu sich selbst zu kommen, die
weiche heitre Luft durchdrang ihn, seinen Sinnen
ward die Welt wieder gegenwärtig, und alte Gedanken
fingen tröstlich zu reden an.
(RUB 8939, S. 158)
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