[100. Absatz]
Unter der Gesellschaft war Heinrichen ein Mann
aufgefallen, den er in jenem Buche oft an seiner
Seite gesehn zu haben glaubte. Sein edles Ansehn
zeichnete ihn vor allen aus. Ein heitrer Ernst war
der Geist seines Gesichts; eine offene schön
gewölbte Stirn, große, schwarze, durchdringende
und feste Augen, ein schalkhafter Zug um den
fröhlichen Mund und durchaus klare, männliche
Verhältnisse machten es bedeutend und anziehend.
Er war stark gebaut, seine Bewegungen waren ruhig
und ausdrucksvoll, und wo er stand, schien er ewig
stehen zu wollen. Heinrich fragte seinen Großvater
nach ihm. »Es ist mir lieb«, sagte der Alte, »daß
du ihn gleich bemerkt hast. Es ist mein
trefflicher Freund Klingsohr, der Dichter. Auf
seine Bekanntschaft und Freundschaft kannst du
stolzer sein, als auf die des Kaisers. Aber wie
stehts mit deinem Herzen? Er hat eine schöne
Tochter; vielleicht daß sie den Vater bei dir
aussticht. Es sollte mich wundern, wenn du sie
nicht gesehn hättest.« Heinrich errötete. »Ich war
zerstreut, lieber Großvater. Die Gesellschaft war
zahlreich, und ich betrachtete nur Euren Freund.«
»Man merkt es, daß du aus Norden kömmst«,
erwiderte Schwaning. »Wir wollen dich hier schon
auftauen. Du sollst schon lernen nach hübschen
Augen sehn.«
(RUB 8939, S. 97)
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