[Kenne dich selbst]
Eins nur ist, was der Mensch zu allen Zeiten gesucht hat;
Überall, bald auf den Höhn, bald in den Tiefen der Welt –
Unter verschiedenen Namen – umsonst – es versteckte sich immer,
Immer empfand er es nah – dennoch erfaßt er es nie.
Längst schon fand sich ein Mann, der den Kindern in freundlichen Mythen
Weg und Schlüssel verriet zu des Verborgenen Schloß.
Wenige deuteten sich die leichte Chiffre der Lösung
Aber die Wenigen auch waren nun Meister des Ziels.
Lange Zeiten verflossen – der Irrtum schärfte den Sinn uns –
Daß uns der Mythus selbst nicht mehr die Wahrheit verbarg.
Glücklich, wer weise geworden und nicht die Welt mehr durchgrübelt,
Wer von sich selber den Stein ewiger Weisheit begehrt.
Nur der vernünftige Mensch ist der echte Adept – er verwandelt
Alles in Leben und Gold – braucht Elixiere nicht mehr.
In ihm dampfet der heilige Kolben – der König ist in ihm –
Delphos auch und er faßt endlich das: Kenne dich selbst.
am 11. Mai 1798. Freiberg.
Friedrich Georg von Hardenberg.
(RUB 7991, S. 56)
(Entsprechend der kürzlich aufgetauchten Handschrift im Freien
Deutschen Hochstift wurden einige Verbesserungen am Text vorgenommen.
Die modernisierte Orthographie wurde jedoch beibehalten. – f.f.)
Der Fremdling
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Letzte Liebe
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