Die Christenheit oder Europa
Ein Fragment
(Geschrieben im Jahre 1799.)
[1. Absatz]
Es waren schöne glänzende Zeiten, wo Europa ein christliches Land war, wo Eine Christenheit
diesen menschlich gestalteten Weltteil bewohnte; Ein großes gemeinschaftliches Interesse
verband die entlegensten Provinzen dieses weiten geistlichen Reichs. Ohne große weltliche
Besitztümer lenkte und vereinigte Ein Oberhaupt, die großen politischen Kräfte. Eine
zahlreiche Zunft zu der jedermann den Zutritt hatte, stand unmittelbar unter demselben und
vollführte seine Winke und strebte mit Eifer seine wohltätige Macht zu befestigen. Jedes Glied
dieser Gesellschaft wurde allenthalben geehrt, und wenn die gemeinen Leute Trost oder Hülfe,
Schutz oder Rat bei ihm suchten, und gerne dafür seine mannigfaltigen Bedürfnisse reichlich
versorgten, so fand es auch bei den Mächtigeren Schutz, Ansehn und Gehör, und alle pflegten diese
auserwählten, mit wunderbaren Kräften ausgerüsteten Männer, wie Kinder des Himmels, deren Gegenwart
und Zuneigung mannigfachen Segen verbreitete. Kindliches Zutrauen knüpfte die Menschen an ihre
Verkündigungen. Wie heiter konnte jedermann sein irdisches Tagewerk vollbringen, da ihm
durch diese heilige Menschen eine sichere Zukunft bereitet, und jeder Fehltritt durch sie vergeben,
jede mißfarbige Stelle des Lebens durch sie ausgelöscht, und geklärt wurde. Sie waren die erfahrnen
Steuerleute auf dem großen unbekannten Meere, in deren Obhut man alle Stürme geringschätzen, und
zuversichtlich auf eine sichre Gelangung und Landung an der Küste der eigentlichen vaterländischen
Welt rechnen durfte.
(RUB 8030, S. 67)
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[2. Absatz]
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