Hardenbergs Tod unter anderem Blickwinkel
Gisela Kraft stellt ihr Roman-Manuskript »Planet Novalis« vor
Gisela Kraft war zum wiederholten Mal zu Gast beim
Weißenfelser Literaturkreis Novalis. Im Rahmen der
Mittwochsveranstaltungen im Novalispavillon las sie
aus ihrem Roman-Manuskript »Planet Novalis« von dessen
Tod in Weißenfels.
Das Manuskript ist Teil eines großen, vor
mehr als zehn Jahren begonnenen Novalis-Projektes.
Auftakt war Gisela Krafts »Prolog zu Novalis«,
der von der schicksalhaften Begegnung zwischen
Friedrich von Hardenberg und Sophie von
Kühn erzählt und 1990 im Aufbau-Verlag
Berlin und Weimar erschien. 1998 folgte
ihre »Madonnensuite«, in der sie die
Begegnung und das Gespräch der Romantiker
Novalis, Schelling, Caroline und der
Brüder Schlegel vor Raffaels Sixtina in
der Dresdner Gemäldegalerie zum
biographischen Vorwurf nimmt.
Gisela Kraft gelingt es in allen Teilen
ihres anspruchsvollen Vorhabens, Momente
aus dem Leben Friedrich von Hardenbergs
literarisch so darzustellen, dass sich
vielfach ein neuer oder doch zusätzlicher
Bedeutungs- und Verstehenshorizont
eröffnet. So ist Novalis' Tod im Tagebuch
seines Bruders Karl auf das Physische der
letzten körperlichen Regungen reduziert:
»Jetzt um 1/2 11 Uhr schläft er tief,
röchelt und der Atem setzt ganze Züge aus;
er erwacht nur auf Augenblicke und spricht
recht irre; nur manchmal ist er bei sich,
aber überaus ruhig und dem Anschein nach
ohne Schmerzen. Um 1/2 1 Uhr starb er
sanft und ohne alle Bewegung.« Und Gerhard
Schulz fügt in seiner immer noch
maßgeblichen Novalis-Biographie knapp
hinzu: »Der Bruder und Friedrich Schlegel,
der Freund, waren bei ihm.«
Die Romanform eröffnet die Möglichkeit,
das Atmosphärische des Elternhauses in
diesen schweren Stunden darzustellen,
setzt Personen mit der Sterbesituation in
Bezug, von denen anzunehmen oder
überliefert ist, dass sie Friedrich in
seiner letzten Krankheit sehr nahe
standen: Seine Mutter, aber auch Julie von
Charpentier, die ihren Bräutigam im Januar
1801 auf der Reise zurück von Dresden nach
Weißenfels begleitete. Gisela Kraft setzt
auf die Macht der Fantasie, Leben und Werk
des wohl bedeutendsten frühromantischen
Dichters, Novalis, neu zu interpretieren.
Dies vermittelt sich schon in ihrem
Vortrag, der von großer Fabulierlust, der
Freude am Erzählen von Geschichten und
Märchen geprägt ist. Als freie
Schriftstellerin, auch als Lyrikerin und
Übersetzerin, lebt und arbeitet Gisela
Kraft seit 1984 lange Jahre in Berlin und
nach 1997 in Weimar. Neben der deutschen
Romantik waren die Erfahrungen des Orients
für sie prägend. Vor allem türkische
Literatur übersetzte sie. Mit einer
Dissertation über den Dichter Fazil Hüsnü
Daglarca schloss sie 1978 ein Studium der
Islamwissenschaft an der Freien
Universität Berlin ab. Wichtig waren und
sind für ihre literarischen Arbeiten die
Ausbildung im Schauspiel und
dramaturgische Erfahrungen mit Berliner
Bühnen, darunter die Schaubühne.
Als nächstes Buchprojekt ist von ihr ein
Lyrikband zu erwarten, der bei Faber &
Faber in Leipzig verlegt wird. Sein
Erscheinen sollte Anlass sein für eine
erneute Begegnung mit Gisela Kraft im
Weißenfelser Novalispavillon.
Eleonore Sent, Mitteldeutsche/Weißenfelser Zeitung, 6. April 2002
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