Projektor als Kunstobjekt
Außergewöhnlicher Vortrag im Pavillon Grafikerin Johanna Bartl zu Gast
Ende August ist für einen Vortrag im
Weißenfelser Novalispavillon eine
ungewöhnliche Zeit. Deshalb bemüht sich
der Literaturkreis für diesen Zeitpunkt um
besondere und auffällige Themen, so auch
die von zwei Novalis-Zitaten eingerahmten
Darbietungen der freischaffend
künstlerisch tätigen Johanna Bartl aus
Dessau am letzten Mittwoch.
Die in Thüringen geborene Grafikerin
erläuterte den Kunstfreunden nicht nur
ihre Installation in der Novalis-Ausstellung,
deren Kernstück der Ausblick aus dem Fenster
zu St. Claren-Kloster, Saalstraße, Baum und
Uhr bildet, sondern auch den Sinn der aufgestellten
Schemel, der ausgelegten Gegenstände und Spiegelungen.
Im Vortrag konnten die interessierten
Zuhörer noch viel mehr über das
künstlerische Schaffen von Johanna Bartl
erfahren, die in ihrer Arbeit mit Raum und
Zeit von zunehmender Abstraktion der
zeichnerischen Motive und
Elementarisierung der Zeichnung bis hin
zur Bewegungsspur ausgeht. Licht und
Sprache, Bewegung im Raum, Veränderungen
von Materie mittels jeweils verfügbarem
Material oder Medium werden sichtbar
gemacht, d.h. aufgezeichnet, festgehalten,
inszeniert. Ein leeres Blatt Papier ist
ein Raum voller Licht, in einen Dia-Rahmen
gepresste Erde aus dem Novalisgarten wird
zur Staubprojektion ohne Gestalt und
Zeichen. In diesem außergewöhnlichen
Vortrag war auch zu sehen wie die Schatten
von Kieferrnadeln zu Denkanstößen führen
und wie ein Projektor zum Kunstobjekt
wird. Ein stillgelegtes Bahnbetriebswerk
mit Lichteinfällen, endlosen Zahlenlisten
und ausgedienten Brigadetagebüchern ist
für die Künstlerin eine Welt voller
Spuren, deren Entdeckung sich lohnt.
Dauerhafte Installationen als
architekturbezogene Werke und eine Reihe
von Stipendien und Preisen für die
Akteurin zeugen davon. Ihre letzte
Ausstellung »Fragmente und Studien.
Nach Novalis.« war unter dem Titel
»Licht und Dunkel« in diesem
Jahr in der Moritzburg in Halle zu sehen.
Ein Beispiel für eine solche Installation
finden wir zur Zeit im Novalishaus. Die
Künstlerin hat damit keine Probleme, die
Probleme hat der Betrachter.
Wolfgang Fischer, Mitteldeutsche/Weißenfelser Zeitung, 4. September 2001
|