Unperson nach dem Zweiten Weltkrieg?
Dichter war eng verbunden mit dem Mansfelder Land
Kürzlich referierte Dr. Bernd Feicke aus
Westerhausen bei Quedlinburg zum Thema
»Novalis in der Mansfelder
Geschichtsschreibung« in der
Kreisstadt. Der Vortrag gab zunächst einen
Überblick, wie mit dem historischen
Andenken des nach Luther wohl
bedeutendsten Sohnes des Mansfelder Landes
umgegangen wurde, welche Einflüsse die
akademische Literaturgeschichtsschreibung,
ein problematischer Umgang mit dem
Nachlass, aber auch allgemeine politische
Entwicklungen hatten.
Erst 1901, anlässlich des 100. Todestages,
würdigte die Mansfelder
Geschichtsforschung Novalis, »den
Romantiker«. Die offensichtliche
Vernichtung von Teilbeständen des
Nachlasses im Hardenbergischen
Familienarchiv, die fehlende
literaturwissenschaftliche Aufarbeitung
nach 1815 und die gegen die Romantik
gerichtete Literatur des Vormärzes ließen
auch in Novalis' Mansfelder Heimat lange
Zeit keine Popularisierung seines Werkes
zu.
In den 30-er Jahren, mit der Ausgabe der
»Schriften« von Kluckhohn/Samuel
von 1929, die Novalis' Handschriften
völlig neu ordnete, erschienen dann auch
in Mansfelder Heimatzeitschriften und
-kalendern wichtige Beiträge. Nach dem
Zweiten Weltkrieg und der Gründung der DDR
stand die regionalgeschichtliche
Beschäftigung mit Novalis lange unter
ideologischem Vorbehalt; Novalis schien
auch im Mansfelder Land zu einer Unperson
geworden zu sein. Erst die Politik des
»progressiven nationalen Erbes«
der DDR-Regierung hatte neben der
Einrichtung des Romantikerhauses in Jena
und der Textauswahl in der
»Bibliothek deutscher Klassiker«
(1983) auch in der Mansfelder
Regionalliteratur weitere
Veröffentlichungen zur Folge.
Eine neue Qualität der Novalisforschung
gab es im Mansfelder Land, als es zu
Beginn der 80-er Jahre Bestrebungen gab,
das Schloss Oberwiederstedt - die
Geburtsstätte von Novalis - seines
Denkmaleharakters zu berauben und
abzureißen. Eine Bürgerbewegung, dann als
»Kuratorium« (und seit 1992
Internationale Novalis-Gesellschaft) hat
mit großem Engagement dieses Vorhaben
verhindert. Im Umgang mit dem Werk und der
Persönlichkeit von Novalis ist seitdem
eine Spezifizierung und Vertiefung von
Themen zu beobachten.
Entsprechend zeigte Dr. Feicke in einem
zweiten Teil seines Vortrages, dass die
Beschäftigung mit Novalis und dessen
Mansfelder Heimat auch in Einzelfragen
neue Erkenntnisse bringt. Dies betrifft
etwa eine Neubewertung der Persönlichkeit
von Novalis' Vater Heinrich Ulrich Erasmus
von Hardenberg: Er war nicht nur
adelstolz, jähzornig, von pietistischem
Glaubenseifer, sondern vielmehr bestrebt,
seinen Söhnen eine berufliche Grundlage zu
schaffen.
Eleonore Sent, Mitteldeutsche/Weißenfelser Zeitung, 30. Oktober 1999
|