Im Verein auf romantischer Spurensuche
Kunst des 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt
Vor kurzem hatte der Literaturkreis
Novalis zu einem Diavortrag über die
Spuren der Romantik in der Kunst des 20.
Jahrhunderts eingeladen. Referent im
Pavillon war Pfarrer Walter Martin Rehahn
aus Halle. Sein Vortrag knüpfte an einen
Lichtbilderabend zu Caspar David Friedrich
an, dem bedeutendsten Vertreter der
romantischen Landschaftsmalerei in
Dresden. Dresden war ein wichtiges Zentrum
der Romantik. 1798 trafen sich in der
Gemäldegalerie Novalis, Schelling,
Caroline, Friedrich und August Wilhelm
Schlegel vor Raffaels Sixtinischer
Madonna.
Walter Martin Rehahn
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In seinem Vortrag zu Caspar David
Friedrich hatte Rehahn die Korrespondenz
zwischen romantischer Malerei und Dichtung
aufgezeigt: In seinen Landschaften läßt
sich Friedrich auf eine subjektive
Reaktion auf die Natur ein. Von der
romantischen Malerei überlebte nur die
rasch akademisch erstarrte Schule der
Nazarener, deren schöpferischer Impuls
einst die Begeisterung für Geschichte,
Kunst und Kultur des Mittelalters gewesen
war. Weit über Vormärz und 1848er
Revolution waren Peter Cornelius, Johann
Friedrich Overbeck, Philipp Veit, Julius
Schnorr von Carolsfeld und ihre Schüler
tätig. Im späten 19. Jahrhundert war ihre
religiöse Kunst zur Massenware
trivialisiert. Dagegen waren die
»norddeutschen« Romantiker mit
ihrem produktiven Wirkungskreis in Dresden
nahezu vergessen: Caspar David Friedrich,
Philipp Otto Runge, Carl Blechen galten
als Randeinfälle der Kunstentwicklung und
mußten um die Jahrhundertwende regelrecht
wiederentdeckt werden. Zur Zeit der
Weimarer Republik und des Faschismus gab
es in der Bildenden Kunst Bezüge zur
Romantik. Als Beispiel einer produktiven
Rezeption wies Rehahn auf Spuren der
Romantik in Bildern des Symbolismus und
Surrealismus.
Die kritisch-kreative Auseinandersetzung
mit der historischen Romantik und ihrer
Wirkungsgeschichte in der Avantgarde,
durch Symbolismus, Surrealismus, Neue
Sachlichkeit, wurde in der NS-Zeit
unterbrochen. Romantische Themen wurden
ideologisch mißbraucht. Nicht nur in
seiner Kunst war der Nationalsozialismus
eine dekadente Ausprägung des
Nationalismus der Romantik, der darauf
abzielte, Deutschland wieder zu einem
Status zu verhelfen, den es im Mittelalter
hatte. Bezogen auf die Vergangenheit
orientierte sich der Nationalsozialismus
nicht wie die Romantik am Mittelalter,
sondern an Werten altgermanischer
Stammesordnung. Der Abend endete mit
Spurensuche in der zeitgenössischen Kunst.
Hundertwassers Bildsymbole wurden sichtbar
gemacht. Interessant wäre eine Spurensuche
in der Kunst der DDR, hieß es in der
abschließenden Diskussion.
Eleonore Sent, Mitteldeutsche/Weißenfelser Zeitung, Februar 1999
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