Vorankündigung
Dr. Dagmar Lorenz: »Novalis und
die Moderne« Vortragsveranstaltung
am 25. November 1998 um 19.00 Uhr im
Weißenfelser Novalis-Pavillon.
Wie modern ist Novalis? Oder: War der
Dichter der »Hymnen an die
Nacht« und des »Heinrich von
Ofterdingen« überhaupt in irgendeiner
Weise jemals zeitgemäß? Als Novalis zu
Anfang dieses Jahrhunderts von einer
begeisterten Forschergemeinde
wiederentdeckt wurde, glaubte man in ihm
eine Art von Gegenfigur zu den als
beängstigend empfundenen Tendenzen in der
eigenen Moderne gefunden zu haben. Und auf
den ersten Blick betrachtet, trifft das
Bild des antimodernen Dichters Novalis ja
anscheinend auch zu. Hatte sich Novalis in
seinen politischen Schriften nicht
vehement gegen die modernen Entwicklungen
seiner eigenen Zeit gewandt? War sein
Aufsatz »Die Christenheit und
Europa« nicht als Kampfschrift gegen
die modernen, d.h. säkularen Tendenzen von
Aufklärung und bürgerlichem Liberalismus
konzipiert? Wünschte der Dichter nicht
sehnlichst wieder das Mittelalter herbei
und dessen religiös-fundamentale
Einheitsidee?
All dies trifft zu und verkennt doch das
Wesentliche. Novalis schrieb bekanntlich
keine theoretisch begründeten Traktate,
sondern argumentierte in einer
vieldeutigen, d.h. eben
»literarischen« Bildersprache.
Und allein dieses literarische Sprechen
ist im Hinblick auf die Moderne bei
Novalis zu untersuchen. Mein Vortrag wird
dies tun und dabei Ausflüge unternehmen
in die Moderne unseres Jahrhunderts, wie
sie sich etwa bei den Surrealisten oder im
Denken der Psychoanalyse zeigt.
Dagmar Lorenz
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Die Vielseitigkeit des Dichters wurde erst spät erkannt
Wiesbadener Autorin hielt Vortrag zum
Werk Friedrich von Hardenbergs
Einseitige Würdigung im letzten
Jahrhundert
Dagmar Lorenz
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Die Wiesbadener Germanistin, Journalistin
und Autorin Dr. Dagmar Lorenz spannte am
vergangenen Mittwochabend im Gartenpavillon
des Weißenfelser Novalis-Hauses in einem
Vortrag einen weiten Bogen
zu Edition, Rezeption, Vielseitigkeit und
Ausdeutung des Werkes Friedrich von
Hardenbergs/Novalis. Unter dem Thema
»Novalis und die Moderne« legte
sie zunächst dar, wie durch die von Ludwig
Tieck und Friedrich Schlegel
herausgegebenen Werke Friedrich von
Hardenbergs/Novalis (Erstausgabe Berlin
1802) im vorigen Jahrhundert eine
einseitige Würdigung seiner dichterischen
Leistungen erfolgte. Der rationale Kern
seines vielseitigen Werkes sei nicht
erkannt worden, sein Verhältnis zur
Aufklärung sowie seine Prämisse zur Rolle
der Vernunft hätten keine Beachtung
gefunden.
Erst um 1900 habe ein »Novalis-Boom«
eingesetzt die Rolle des
Weißenfelser Dichters als philosophischer
Denker und »Konstrukteur künftiger
Welten« werde nach und nach
herausgearbeitet. Die erkannte
Vielseitigkeit des Gesamtwerkes von
Hardenbergs mit seinem Symbolgehalt lasse
es nunmehr zu, daß seine Gedanken in die
verschiedensten Kunstrichtungen und
-strömungen unseres Jahrhunderts
einfließen, wobei es natürlich nicht
ausblieb, daß ein Jeder das für sich
passende aus den Schriften und Gedanken
dieses Frühromantikers gleichsam
»herauspickte«. Das treffe
sowohl auf die französischen Symbolisten,
als auch auf den Naturalismus, die
Neoromantik und die vorwiegend in München
und Wien dominierende »Moderne«
zu. In Abgrenzung zum Naturalismus
definierte man bei letzterer die Poetik
als »Hang nach dem Künstlichen«,
so wie schon die deutschen Frühromantiker
mit ihrem bedeutendsten Vertreter Novalis
ein Jahrhundert zuvor die Dichtkunst
verstanden. Frau Dr. Lorenz belegte dies
in ihrem interessanten Vortrag durch
Hinweise auf verschiedene Literaten der
Zeit, wie Wilhelm Bölsche, Ricarda Huch,
Georg Trakl und Hugo von Hofmannsthal.
Ingo Bach, Mitteldeutsche/Weißenfelser Zeitung vom 28. November 1998
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