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Publikation des Literaturkreises Novalis

Einblick in die Studienjahre 1791 bis 1793 in Jena und Leipzig

Bei einer Sichtung der Restbestände des Gutsarchivs in Oberwiederstedt hatte Ingo Bach 1970 das Glück, auf ein Stammbuch Friedrich von Hardenbergs zu stoßen, das dieser während seiner Studienzeit in Jena und Leipzig zwischen 1791 und 1793 führte. Nun liegt dazu eine Veröffentlichung des Literaturkreises Novalis e.V. vor. Dafür verglich Ingo Bach die Eintragungen mit den Matrikeln der beiden Universitäten und ermittelte in Nachschlagewerken in 20 Fällen einiges über die weitere Entwicklung der im »Album« eingetragenen 54 Freunde. Damit ist jedoch der Reiz des wertvollen Fundes keineswegs erschöpft. Die kurzen Eintragungen lassen damalige Gepflogenheiten der Studenten und Zusammenhänge mit der militärischen und politischen Situation in Europa erkennen.

Im allgemeinen gab es noch die Leibeigenschaft. Nur in den von Schweden, Österreich und England (Hannover) beherrschten Gebieten war die persönliche Unfreiheit von Bauern, Handwerkern und Kleinbürgern teilweise aufgehoben worden. Trotzdem war es für einen befähigten jungen Menschen aus diesen gesellschaftlichen Kreisen unmöglich, ohne Genehmigung und ohne materielle Hilfe des Patronatsherren studieren zu können. Erstaunlicherweise stammen 18 der eingetragenen 54 Stammbuchfreunde aus Livland, Kurland und Danzig, d.h. aus dem zaristischen Rußland, wo die Leibeigenschaft erst 1861 gänzlich abgeschafft wurde. Nur drei kamen aus Schweden, England und Ungarn.

Als der Bauernsohn und Student Johann Gottfried Seume (1763-1810) ohne Genehmigung die Universität Leipzig am 28. Juni 1781 in Richtung Westen verließ, wurde er bereits wenige Tage später in Vacha von Werbern an der thüringischen Grenze aufgegriffen, zwangsrekrutiert und zusammen mit 17000 jungen Männern vom hessischen Landgrafen für 21 Millionen Taler an England verkauft, um gegen die nach Unabhängigkeit strebenden Nordamerikaner eingesetzt zu werden.

Die aus privilegierten Kreisen von Patriziern und Adligen stammenden Studenten waren nicht von Zwangsrekrutierung bedroht, begeisterten sich aber wie Seume für die revolutionären französischen Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. So schlossen sich gleichgesinnte Studenten zu Bruderschaften zusammen, die in ihrem Kreis alle Unterschiede der Stände, der Religionen und der stattlichen Herkunft mißachteten, sich Bruder nannten und mit »Du« anredeten.

Bisher vereinigten sich vorwiegend Studenten aus gleichen Vaterländern zu »Landsmannschaften«. Unter italienischem und französischem Einfluß entstanden zudem Mitte des 18. Jahrhunderts freimaurerisch geprägte Studentenorden, in denen man von Freiheit schwärmte und sich die weltweite Menschheitsbeglückung zum Ziel setzte. Aus Begeisterung für die Freiheitsideen Jean Jaques Rousseaus (1712-1778) gründeten Jenenser Studenten im Jahre 1746 den Moselbund. Dieser schloß sich 1771 mit der Landsmannschaft der »Oberrheiner« zusammen zum Amicistenorden. Im Stammbuch trugen sich drei Ordensbrüder aus dem Harmonisten-, Amicisten- und Unitistenorden ein. Zwei Ordens-»Senioren« wurden schon 1792 wegen »Staatsgefährdung« der Universität verwiesen, obwohl das Ordensverbot erst 1793 vom Reichstag erlassen wurde.

Das Zusammenleben mit den »Ausländern« aus 200 selbständigen deutschen Kleinstaaten wirkte sich aus: Anfang 1793 schreibt Friedrich von Hardenberg aus Leipzig an seinen Vater: »Einem engen Kreis kann ich nie meine Bildung danken - Vaterland und Welt müssen auf mich wirken!«

Die Publikation ist in der Geschäftsstelle des Literaturkreises Novalis e.V. im Weißenfelser Novalishaus zu erwerben.

Werner Kneist, Mitteldeutsche Zeitung vom 20. März 1998



 


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Letzte Änderung am 17.05.1998.
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