22.
Wer sucht, wird zweifeln. Das Genie sagt
aber so dreist und sicher, was es in sich
vorgehn sieht weil es nicht in seiner
Darstellung und also auch die Darstellung
nicht [in] ihm befangen ist, sondern seine
Betrachtung und das Betrachtete frei
zusammenzustimmen, zu Einem Werke frei
sich zu vereinigen scheinen.
Wenn wir von der Außenwelt sprechen, wenn
wir wirkliche Gegenstände schildern, so
verfahren wir, wie das Genie. So ist also
das Genie, das Vermögen von eingebildeten
Gegenständen, wie von wirklichen zu
handeln, und sie auch, wie diese, zu
behandeln. Das Talent darzustellen, genau
zu beobachten – zweckmäßig die
Beobachtung zu beschreiben – ist also
vom Genie verschieden. Ohne dieses Talent
sieht man nur halb – und ist nur ein
halbes Genie – man kann genialische
Anlage haben, die in Ermangelung jenes
Talents nie zur Entwicklung kommt.
Ohne Genialität existierten wir alle
überhaupt nicht. Genie ist zu allem nötig.
Was man aber gewöhnlich Genie nennt –
ist Genie des Genies.
(RUB 8030, S. 9)
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