Kurzbiographien einiger englischer Dichter
Beigabe zum Vortrag von Prof. Dr. Dr. Helmut Schrey am 30. September 1998 in Weißenfels
(»Novalis von England her gesehen«)
George Gordon Noël, Lord Byron,
geb. am 22. Januar 1788 in London, gest.
am 19. April 1824 in Mesolongion,
Griechenland. Sohn eines adligen Offiziers
der königlichen Garde und einer dem
schottischen Hochadel verwandten Mutter.
1791 zur Halbwaise geworden, wuchs er in
Schottland auf, in seiner Entwicklung
behindert durch eine schwächliche
Gesundheit und einen angeborenen Klumpfuß.
Nach dem Schulbesuch in Harrow studierte
er von 1805 bis 1807 in Cambridge, wo er
sich durch revolutionäre Gedanken und
Protestaktionen mißliebig machte.
Anschließend zwei Jahre »dichten und
denken, leben und lieben« (intime
Beziehungen zu seiner Halbschwester). 1809
volljährig geworden, übernahm er die
Verwaltung der Stammgüter und wurde
Mitglied des Oberhauses, verließ aber
London noch im gleichen Jahr. Von 1809 bis
1811 reiste er über Portugal, Spanien,
Malta, Albanien und Griechenland nach
Konstantinopel. Seine Reiseberichte und
Gedichte brachten ihm literarischen Ruhm,
der jäh endete, als ein Scheidungsskandal
nach seiner einjährigen Ehe mit Miss Anna
Isabella Milbank Noël die Gesellschaft
erregte. Lord Byron verließ England und
reiste über Belgien und die Rheinlande
nach der Schweiz. Hier ließ er sich am
Genfer See nieder und pflegte enge
Beziehungen zu P. B. Shelley (1792-1822).
Gemeinsame Reisen führten nach Rom,
Venedig, Ravenna und Pisa. Oft gab es
Reibereien mit der italienischen Polizei.
1822 ertrank Shelley bei einer Bootsfahrt.
Byron ließ die Leiche am Strand verbrennen
und brachte die Urne nach Rom, wo er sie
neben der Pyramide des Cestius beisetzte.
1823 beteiligte sich Lord Byron am
griechischen Freiheitskampf gegen die
Türkei. Am 19. April 1824 starb er an den
Folgen eines Fiebers.
Thomas Carlyle,
geb. am 4. Dezember 1795 in Ecclefechan in
der Grafschaft Dumfrieshire, Schottland,
gest. am 4. Februar 1881. 1809 Studium der
Mathematik und der Theologie in Edinburgh.
Von seinem Freunde, dem Sektengründer
Edward Irving (1792-1834) zum Studium der
deutschen Literatur angeregt, übersetzte
er 1825 Goethes »Wilhelm Meister« und
beschrieb das Leben Friedrich Schillers.
1827 veröffentlichte er eine Auswahl
deutscher Literatur von Goethe, Tieck,
Jean Paul, Fouqué, Musäus und E. T. A.
Hoffmann. Wie kein anderer englischer
Schriftsteller trug er zur Verbreitung der
deutschen Literatur in England bei, was
sogar dazu führte, daß er in die
Friedensklasse des preußischen Ordens
»Pour le Mérite« aufgenommen wurde. In
seinem Gesamtwerk (37 Bände) geißelt er
allzudeutlich den sittlich-moralischen
Verfall seiner Zeit und vertritt »einen
reaktionären Heroenkult«, was wohl u. a.
dazu führte, daß er im
Schriftstellerlexikon der DDR (1963)
nicht aufgeführt wurde.
Samuel Taylor Coleridge,
geb. am 21. Oktober 1772 in Ottery St.
Mary (Devonshire), gest. am 25. Juli 1834
in London/Highgate. Sohn eines
Landgeistlichen. 1791-1793 Studium in
Cambridge, ohne Abschlußexamen. Begeistert
von den Freiheitsideen der französischen
Revolution, plante er zusammen mit zwei
Freunden die Gründung einer
kommunistischen Kolonie (Pantisokratie) in
der Neuen Welt. Die Verheiratung der drei
Freunde verhinderte die Ausführung des
Planes. Ein Stipendium ermöglichte
Coleridge und seinem Freund William
Wordsworth (1770-1850) ein Sprach- und
Literaturstudium an der Universität
Göttingen, das u. a. zu einer
weitausgreifenden Reisetätigkeit
ausgenützt wurde (1798-1799). Nach England
zurückgekehrt, übersetzte er Schillers
»Wallenstein«, hatte Briefverkehr mit
Schiller, Goethe und Tieck, schuf ein
umfangreiches literarisches Werk und
leitete, enttäuscht von den Auswüchsen der
französischen Revolution, die Redaktion
der sehr konservativen »Morning Post«.
Zusammen mit Wordsworth gab er die
»Lyrischen Balladen« heraus, darunter die
Ballade »Der alte Seemann« (1787). Nach
1820 verschlechterte sich sein
Gesundheitszustand. Die zeitübliche
Behandlung seines Lungenleidens mit Opium
führte zur Sucht. Er starb 1834.
John Keats,
geb. am 29. oder 31. Oktober 1795 in
London, gest. am 23. Februar 1821 in Rom.
Sohn eines Stallmeisters und
Lohnkutschers. Er ging zu einem Chirurgen
in die damals noch nicht akademische Lehre
und vertrat in seiner Jugend radikal-liberale
Anschauungen. Seine Dichtungen
sind gekennzeichnet durch einen Schönheit
und Wahrheit verschmelzenden Formsinn in
klangreicher Sprache. Hervorzuheben sind
seine romantische Verserzählung »Endymion«
(1818), seine 1819 veröffentlichten Oden
und »Hyperion« (1820). Seine Werke zeigen
starke Einflüsse der klassischen
Mythologie und der Dichtung von Edmund
Spenser (1553-1599) und John Milton (1608-1674).
Dem Elisabethanischen Zeitalter galt
seine Vorliebe. 1820 reiste er nach
Italien, um Heilung von einer Tuberkulose
zu finden, der er jedoch 1821, 25jährig,
erlag.
Percy Bysshe Shelley,
geb. am 4. Aug. 1792 in Field Place,
Sussex, gest. am 8. Juli 1822 in Via
Reggio, Italien, bei einer stürmischen
Bootsfahrt auf einer von ihm gemieteten
Segeljacht ertrunken. Sohn eines adligen
Grundbesitzers. Besuch der Schule in Eton.
Wegen revolutionärer Äußerungen wurde er
von der Universität verwiesen und siedelte
1818 nach Italien über. Shelley gilt als
Hauptvertreter der revolutionären Romantik
in England. In seinem Jugendwerk »Queen
Mab« (1813) stellt er in märchenhafter
Form die menschliche Gesellschaft in
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dar.
»The Revolt of Islam« (1818) schildert
symbolhaft die Gedanken und Ereignisse der
französischen Revolution. »Der entfesselte
Prometheus« (1820), ein lyrisches Drama,
entwirft ein ideales Zukunftsbild der
Menschheit, ohne nationale Zwistigkeiten
und Kriege. Sein literarisches Schaffen
(10 Bände, London 1926-1930) fand durch
den Unfalltod des 30jährigen ein jähes
Ende.
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