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Aquarium > Rezensionen > »Orphische Weltanschauung der Antike und ihr Erbe bei den Dichtern Nietzsche, Hölderlin, Novalis und Rilke«


Johanna J. S. Aulich: Orphische Weltanschauung der Antike und ihr Erbe bei den Dichtern Nietzsche, Hölderlin, Novalis und Rilke, Verlag Peter Lang, 1998.

In seiner Studie Der kommende Gott hatte Manfred Frank das Wiederauftauchen der Figur des Dionysos in der romantischen Dichtung und bei Hölderlin untersucht und dabei aufgezeigt, durch welche philosophische Fragestellung diese Rückkehr bedingt wurde. Hier dagegen versucht die Autorin das Auftreten von Orpheus oder orphischen Themen im Werk von Nietzsche, Hölderlin, Novalis und Rilke zu untersuchen. Nach einer Darstellung der Geschichte des Mythos und des historischen Schicksals der Orphik wird gezeigt, dass Nietzsche der erste moderne Denker ist, der die Bedeutung dieser Denkströmung für die Moderne erkannt hat. »Es ist äußerst schwierig«, bemerkt Johanna J. S. Aulich jedoch treffend, »das Material der Orphik mit ihren diffusflüssigen Charakteristika und Fakten geschichtlich sowie sachlich zu isolieren« (S. 19). Hat man hinter Orpheus also die gesamte Orphik, d. h. sowohl bei Empedokles als auch im Christentum und all ihren so unterschiedlichen wie zahlreichen neuen Erscheinungsformen in der Kultur zu sehen? Die Orphik an sich ist nach wie vor schwer zu fassen, wie das erste Kapitel beweist, worin die »wesentlichen Aspekte« in einer solchen Fülle zusammengetragen werden, dass die Untersuchung am Ende den Orpheus-Mythos selbst aus dem Blick verliert, der in Wirklichkeit aber das Zentrum der modernen Dichtung bildet. Die Schwierigkeit der Aufgabe lässt sich noch besser ermessen, wenn man weiß, dass Dichter wie Hölderlin oder Novalis aufgrund ihrer Kenntnis der griechischen Klassiker Zugang zu zahlreichen Quellen hatten. Das vorliegende Werk versucht also die verschiedenen Ansichten über die Orphik sowie ihre Rezeption in der deutschen Literatur zu verfolgen und widmet sich dabei besonders eingehend dem Werk von Rilke und Novalis, in deren Dichtung die Figur des Orpheus die zentrale Rolle spielt. Für sie müssen nämlich, wie die Autorin aufzeigt, die durch den Mythos vermittelten Werte (etwa der durch die Musik und die Kunst vermittelte Sinn der irdischen Harmonie) in unserer Zeit wieder neu in Erscheinung treten, um der geistigen Verarmung der Zeit und dem modernen Individualimus entgegenzuwirken, und so erweist sich die Orphik als Ausgangspunkt ihrer Dichtung.

Laurent Margantin



 


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Letzte Änderung am 09.02.2002.
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