Zeitgenössische Darstellungen
Franz Gareis: Novalis um 1799 Öl auf Leinwand, H 57 cm, B 52,1 cm Forschungsstätte für Frühromantik und Novalis-Museum Schloss Oberwiederstedt
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Novalis – das einzige authentische Gemälde
Novalis, eigentlich Friedrich Freiherr von
Hardenberg (1772 bis 1801) war der
bedeutendste Lyriker und Prosadichter der
deutschen Frühromantik. »Novalis«, das
heißt der Neuland Bestellende – so nannte
er sich erstmals 1798, als er seinen
»Blütenstaub« veröffentlichte.
Selten haben die Interessierten über einen
Dichter soviel und zugleich so wenig
gewußt, hat man über Person, Werk und
Wirkung in Wissenschaft und Öffentlichkeit
so viel diskutiert. Das begann mit seinem
Pseudonym, das gilt für sein dichterisches
wie berufliches Schaffen ebenso, wie für
das äußere Bild seiner Persönlichkeit. Zu
letzterem kam es in den vergangenen
Jahrzehnten zu mancher Klärung – gibt es
doch eine authentische Darstellung, die
ihn so vor Augen führt, wie ihn seine
Nächsten, seine Freunde und seine
Gefährten gesehen haben. Merkwürdigerweise
ist das einzige, zu Lebzeiten entstandene
Bild des erwachsenen Friedrich von
Hardenberg, das sich bis zum Jahre 1945 in
Familienbesitz im Schloß Oberwiederstedt
bei Hettstedt befand, kaum der
literaturhistorischen und
kunstwissenschaftlichen Forschung, viel
weniger noch der Öffentlichkeit bekannt
geworden.
Erst mit der zeitweisen Übernahme, von
1971 bis 1990, des Porträts (Brustbild, Öl
auf Leinwand, später auf Hartfaser
stabilisiert; 57,0 * 52,1 cm, nicht
signiert und nicht datiert) in die
Novalis-Sammlung des Museums Weißenfels
(Schloß Neu-Augustusburg) konnte es nach
Behebung schwerer Schädigungen einer
wissenschaftlichen Bearbeitung durch den
Autor dieses Beitrages unterzogen werden.
Seitdem steht es für eine entsprechende
Verarbeitung – im Sinne der Pflege und
Popularisierung von Werk und
Persönlichkeit Friedrich von Hardenbergs –
zur Verfügung.
Das Gemälde zeigt eine leicht nach links
gewandte schmächtige Gestalt. Das ovale,
nach unten spitzer werdende Gesicht wird
durch eine breite und hohe Stirn,
mittelbraune Augen, eine große und
längliche Nase und einen fein ausgezogenen
Mund geprägt. Die Farbe des Gesichts ist
sehr hell gehalten; in der Mitte leicht
gescheiteltes Haar umrahmt den Kopf, die
Locken fallen bis auf die Schultern. Die
Gesichtszüge widerspiegeln Klugheit, Güte
und Ernst. Ein Lächeln umspielt die
Mundpartie. Hardenberg trägt eine
blauschwarze Jacke mit roten Aufschlägen,
rotem Kragen und großen silbernen Knöpfen.
Es ist die Tracht der Studenten der
Freiberger Bergakademie, an der Novalis
von Ende 1797 bis Mai 1799 studierte. Die
Halspartie wird von einem vielfach
gefalteten seidenen Jabot bedeckt; ferner
sind Reversteile einer stark gemusterten
bunten Weste (?) zu erkennen.
Als Autor des Gemäldes konnte der
Lausitzer Franz Gareis ermittelt werden,
der zu den begabten Porträtisten an der
Wende des 18. zum 19. Jahrhundert gehörte.
Er wurde am 28. Juni 1775 in der
sogenannten Klosterfreiheit zwischen
Ostritz und dem Kloster St. Marienthal im
Neißetal geboren, war Schüler der
Dresdener Kunstakademie, danach in der
Elbmetropole ansässig. Bereits am 31. Mai
1803 verstarb er vermutlich an Fleckfieber
in Rom.
In einem Brief vom 2. Dezember 1798
schrieb Friedrich von Schlegel (1772 bis
1829) aus Berlin an Novalis in Freiberg:
»Kannst Du Dich nicht, wenn Du einmal
in Dresden bist, von Gareis für mich malen
lassen?« Auf diesen Vorschlag gibt
das überlieferte Antwortschreiben
Hardenbergs aus Freiberg, das aus der
ersten Hälfte Dezember stammt, keine
Antwort. Ein Vergleich mit anderen
erhaltenen und signierten Bildern Gareis',
besonders im Raum Zittau/Görlitz, und eine
stilkritische Untersuchung des
Hardenbergschen Porträts an den
Städtischen Kunstsammlungen Görlitz durch
Dr. habil. E. H. Lemper, bestätigten
jedoch Gareis' Autorschaft. Als
Entstehungszeit des Gemäldes kann mit
großer Wahrscheinlichkeit das erste
Halbjahr 1799 angenommen werden – der
Dargestellte ist also etwa 27 Jahre alt.
Ein späterer Zeitpunkt kommt wegen der
Lebensstationen Hardenbergs und Gareis'
nicht in Betracht. Mitte Februar und am
14./15. April 1799 hielt sich Novalis
besuchsweise in Dresden auf. Bei dieser
Gelegenheit könnte das Brustbild, das zu
den bedeutungsvollsten deutschen
Dichterporträts gehört und sich wieder im
Novalis-Geburtshaus Schloß Oberwiederstedt
befindet, entstanden sein.
OMuR Ingo Bach, 1992
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Die Anschrift des Schlosses Oberwiederstedt:
Schäfergasse 6
06333 Wiederstedt
E-Mail: schloss-oberwiederstedt@t-online.de
Internet: www.novalis-museum.de
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Mehr über Franz Gareis erfahren Sie bei der
Genealogischen Gareis Forschung.
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