[22. Absatz]
»Auf alles, was der Mensch vornimmt, muß er seine
ungeteilte Aufmerksamkeit oder sein Ich richten«,
sagte endlich der eine, »und wenn er dieses getan
hat, so entstehn bald Gedanken, oder eine neue Art
von Wahrnehmungen, die nichts als zarte Bewegungen
eines färbenden oder klappernden Stifts, oder
wunderliche Zusammenziehungen und Figurationen
einer elastischen Flüssigkeit zu sein scheinen,
auf eine wunderbare Weise in ihm. Sie verbreiten
sich von dem Punkte, wo er den Eindruck fest
stach, nach allen Seiten mit lebendiger
Beweglichkeit, und nehmen sein Ich mit fort. Er
kann dieses Spiel oft gleich wieder vernichten,
indem er seine Aufmerksamkeit wieder teilt oder
nach Willkür herumschweifen läßt, denn sie
scheinen nichts als Strahlen und Wirkungen, die
jenes Ich nach allen Seiten zu in jenem
elastischen Medium erregt, oder seine Brechungen
in demselben, oder überhaupt ein seltsames Spiel
der Wellen dieses Meers mit der starren
Aufmerksamkeit zu sein. Höchst merkwürdig ist es,
daß der Mensch erst in diesem Spiele seine
Eigentümlichkeit, seine spezifische Freiheit recht
gewahr wird, und daß es ihm vorkommt, als erwache
er aus einem tiefen Schlafe, als sei er nun erst
in der Welt zu Hause, und verbreite jetzt erst das
Licht des Tages sich über seine innere Welt. Er
glaubt es am höchsten gebracht zu haben, wenn er,
ohne jenes Spiel zu stören, zugleich die
gewöhnlichen Geschäfte der Sinne vornehmen, und
empfinden und denken zugleich kann. Dadurch
gewinnen beide Wahrnehmungen: die Außenwelt wird
durchsichtig, und die Innenwelt mannigfaltig und
bedeutungsvoll, und so befindet sich der Mensch in
einem innig lebendigen Zustande zwischen zwei
Welten in der vollkommensten Freiheit und dem
freudigsten Machtgefühl. Es ist natürlich, daß der
Mensch diesen Zustand zu verewigen und ihn über
die ganze Summe seiner Eindrücke zu verbreiten
sucht; daß er nicht müde wird, diese Assoziationen
beider Welten zu verfolgen, und ihren Gesetzen und
ihren Sympathien und Antipathien nachzuspüren. Den
Inbegriff dessen, was uns rührt, nennt man die
Natur, und also steht die Natur in einer
unmittelbaren Beziehung auf die Gliedmaßen unsers
Körpers, die wir Sinne nennen. Unbekannte und
geheimnisvolle Beziehungen unsers Körpers lassen
unbekannte und geheimnisvolle Verhältnisse der
Natur vermuten, und so ist die Natur jene
wunderbare Gemeinschaft, in die unser Körper uns
einführt, und die wir nach dem Maße seiner
Einrichtungen und Fähigkeiten kennenlernen. Es
frägt sich, ob wir die Natur der Naturen durch
diese spezielle Natur wahrhaft begreifen lernen
können, und inwiefern unsre Gedanken und die
Intensität unsrer Aufmerksamkeit durch dieselbe
bestimmt werden, oder sie bestimmen, und dadurch
von der Natur losreißen und vielleicht ihre zarte
Nachgiebigkeit verderben. Man sieht wohl, daß
diese innern Verhältnisse und Einrichtungen unsers
Körpers vor allen Dingen erforscht werden müssen,
ehe wir diese Frage zu beantworten und in die
Natur der Dinge zu dringen hoffen können. Es ließe
sich jedoch auch denken, daß wir überhaupt erst
uns mannigfach im Denken müßten geübt haben, ehe
wir uns an dem innern Zusammenhang unsers Körpers
versuchen und seinen Verstand zum Verständnis der
Natur gebrauchen könnten, und da wäre freilich
nichts natürlicher, als alle mögliche Bewegungen
des Denkens hervorzubringen und eine Fertigkeit in
diesem Geschäft, sowie eine Leichtigkeit zu
erwerben, von einer zur andern überzugehen und sie
mannigfach zu verbinden und zu zerlegen. Zu dem
Ende müßte man alle Eindrücke aufmerksam
betrachten, das dadurch entstehende Gedankenspiel
ebenfalls genau bemerken, und sollten dadurch
abermals neue Gedanken entstehn, auch diesen
zusehn, um so allmählich ihren Mechanismus zu
erfahren und durch eine oftmalige Wiederholung die
mit jedem Eindruck beständig verbundnen Bewegungen
von den übrigen unterscheiden und behalten zu
lernen. Hätte man dann nur erst einige Bewegungen,
als Buchstaben der Natur, herausgebracht, so würde
das Dechiffrieren immer leichter vonstatten gehn,
und die Macht über die Gedankenerzeugung und
Bewegung den Beobachter in Stand setzen, auch ohne
vorhergegangenen wirklichen Eindruck,
Naturgedanken hervorzubringen und
Naturkompositionen zu entwerfen, und dann wäre der
Endzweck erreicht.«
(RUB 7991, S. 83–85)
[21. Absatz]
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