Die Lehrlinge zu Sais (1798–1799)
1. Der Lehrling
[1. Absatz]
Mannigfache Wege gehen die Menschen. Wer sie
verfolgt und vergleicht, wird wunderliche Figuren
entstehen sehn; Figuren, die zu jener großen
Chiffernschrift zu gehören scheinen, die man
überall, auf Flügeln, Eierschalen, in Wolken, im
Schnee, in Kristallen und in Steinbildungen, auf
gefrierenden Wassern, im Innern und Äußern der
Gebirge, der Pflanzen, der Tiere, der Menschen, in
den Lichtern des Himmels, auf berührten und
gestrichenen Scheiben von Pech und Glas, in den
Feilspänen um den Magnet her, und sonderbaren
Konjunkturen des Zufalls, erblickt. In ihnen
ahndet man den Schlüssel dieser Wunderschrift, die
Sprachlehre derselben, allein die Ahndung will
sich selbst in keine feste Formen fügen, und
scheint kein höherer Schlüssel werden zu wollen.
Ein Alkahest scheint über die Sinne der Menschen
ausgegossen zu sein. Nur augenblicklich scheinen
ihre Wünsche, ihre Gedanken sich zu verdichten. So
entstehen ihre Ahndungen, aber nach kurzen Zeiten
schwimmt alles wieder, wie vorher, vor ihren
Blicken.
(RUB 7991, S. 61)
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[2. Absatz]
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