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Hymnen an die Nacht
[Athenaeum-Fassung]
1800
1.
Welcher Lebendige, Sinnbegabte, liebt
nicht vor allen Wundererscheinungen des
verbreiteten Raums um ihn, das
allerfreuliche Licht mit seinen
Farben, seinen Strahlen und Wogen; seiner
milden Allgegenwart, als weckender Tag.
Wie des Lebens innerste Seele atmet es der
rastlosen Gestirne Riesenwelt, und
schwimmt tanzend in seiner blauen Flut
atmet es der funkelnde, ewigruhende
Stein, die sinnige, saugende Pflanze, und
das wilde, brennende, vielgestaltete Tier
vor allen aber der herrliche
Fremdling mit den sinnvollen Augen, dem
schwebenden Gange, und den
zartgeschlossenen, tonreichen Lippen. Wie
ein König der irdischen Natur ruft es jede
Kraft zu zahllosen Verwandlungen, knüpft
und löst unendliche Bündnisse, hängt sein
himmlisches Bild jedem irdischen Wesen um.
Seine Gegenwart allein offenbart
die Wunderherrlichkeit der Reiche der
Welt.
Abwärts wend ich mich zu der heiligen,
unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht.
Fernab liegt die Welt in eine tiefe
Gruft versenkt wüst und einsam ist
ihre Stelle. In den Saiten der Brust weht
tiefe Wehmut. In Tautropfen will ich
hinuntersinken und mit der Asche mich
vermischen. Fernen der Erinnerung,
Wünsche der Jugend, der Kindheit Träume,
des ganzen langen Lebens kurze Freuden und
vergebliche Hoffnungen kommen in grauen
Kleidern, wie Abendnebel nach der Sonne
Untergang. In andern Räumen schlug die
lustigen Gezelte das Licht auf. Sollte es
nie zu seinen Kindern wiederkommen, die
mit der Unschuld Glauben seiner harren?
Was quillt auf einmal so ahndungsvoll
unterm Herzen, und verschluckt der Wehmut
weiche Luft? Hast auch du ein Gefallen an
uns, dunkle Nacht? Was hältst du unter
deinem Mantel, das mir unsichtbar kräftig
an die Seele geht? Köstlicher Balsam
träuft aus deiner Hand, aus dem Bündel
Mohn. Die schweren Flügel des Gemüts hebst
du empor. Dunkel und unaussprechlich
fühlen wir uns bewegt ein ernstes
Antlitz seh ich froh erschrocken, das
sanft und andachtsvoll sich zu mir neigt,
und unter unendlich verschlungenen Locken
der Mutter liebe Jugend zeigt. Wie arm und
kindisch dünkt mir das Licht nun
wie erfreulich und gesegnet des Tages
Abschied Also nur darum, weil die
Nacht dir abwendig macht die Dienenden,
säetest du in des Raumes Weiten die
leuchtenden Kugeln, zu verkünden deine
Allmacht deine Wiederkehr in
den Zeiten deiner Entfernung. Himmlischer,
als jene blitzenden Sterne, dünken uns die
unendlichen Augen, die die Nacht in uns
geöffnet. Weiter sehn sie, als die
blässesten jener zahllosen Heere
unbedürftig des Lichts durchschaun sie die
Tiefen eines liebenden Gemüts was
einen höhern Raum mit unsäglicher Wollust
füllt. Preis der Weltkönigin, der hohen
Verkündigerin heiliger Welten, der
Pflegerin seliger Liebe sie sendet
mir dich zarte Geliebte
liebliche Sonne der Nacht, nun wach
ich denn ich bin Dein und Mein
du hast die Nacht mir zum Leben
verkündet mich zum Menschen gemacht
zehre mit Geisterglut meinen Leib,
daß ich luftig mit dir inniger mich mische
und dann ewig die Brautnacht währt.
(RUB 7991, S. 149-150)
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2.
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