Friedrich von Hardenberg:
Eigenh. Briefentwurf, »Spatziergang nach Gosegk«
Datierung: Herbst 1791
Umfang: 1 Blatt, 1 S. beschrieben
Signatur: V3R
Spatziergang nach Gosegk
In Briefen an einen Freund
Du weißt, mein Lieber, daß der Herbst
überhaupt meine herrlichste Jahrszeit
ist, nun kannst Du Dir vorstellen, wie
angenehm für mich ein Spatziergang in
diesen trefflichen Tagen nach einer
romantischen, weiten Gegend seyn mußte.
Doch Du sympathisirst zu sehr mit mir um
nicht mir die Freude zu gönnen die
herrlichen Empfindungen und Bilder meiner
Seele mit Dir zu theilen; ich will Dir
also weitläuftig unsre entzückende
Wallfahrt erzählen. Wir machten uns nach
Tisch auf den Weg und kamen auf einem
allerliebsten Wege durch eine niedliche
Landschaft nach dem Ziele unsers Eifers.
Doch um Dich ein wenig für alle die
Schönheiten, die ich auf unserm Wege
unbeschrieben lasse, schadlos zu
halten, will ich Dir nur eine Landschaft
mit flüchtigem Pinsel entwerfen. Vor mir
lag ein weites Thal mit blauen Gebirgen
bekränzt, mit Weiden und andern Buschwerk
hin und wieder durchflochten. Hinten im
Hintergrunde noch ein Dorf mit seinem
Thürmchen in einer Kluft zwischen zwey
Hügeln, mit Buschwerk lieblich bekleidet,
unter mir ein Wiesengrund von einem
kleinen Wäldchen umzogen, in dem das
herbstliche Gelb mit sparsamen Grün
abwechselten und einen scharmanten Contrast
machte. Und auf der Wiese blökende Kühe,
die in mannichfaltige Gruppen sich
darstellten und hart an den Wiesen ein
niedliches Dörfchen mit Gärten umkränzt
und mit rauchenden Schornsteinen.
(HKA I, 581)
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